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Bildung

Investitionen in Betreuung und Bildung haben zu Recht einen deutlichen Schwerpunkt in diesem Haushalt. Der Ausbau von Betreuung und Bildung hat Priorität in einer zukunftsfähigen Politik und in unserem Stadtentwicklungskonzept.

PISA-Studien führen es uns immer wieder drastisch vor Augen: Das deutsche Erziehungs-, Schul- und Bildungswesen ist in massiver Schieflage. Antiquiert und völlig unzureichend kann es den gegebenen Anforderungen nicht genügen.

Über die historischen Ursachen zu streiten, ist müßig. Die Situation ist da. Es ist kein bloßes Migrantenproblem. Nein, viele der hier bei uns aufgewachsenen deutschen Kinder und Jugendlichen weisen im internationalen Vergleich massive Defizite auf, Defizite in fachlicher Hinsicht, aber auch Defizite in ihrer sozialen Kompetenz. Und es ist kein Problem, das nur die Betroffenen, die am Ende unzureichend Qualifizierten, angeht. Es geht um uns, um unsere ganz persönliche Zukunft. Allein "Humankapital" ist Grundlage unseres Wohlstands in Deutschland. Wir leben vom Können der Menschen hierzulande, von deren Kenntnissen, Lernfähigkeit und Kreativität zum einen und von deren Disziplin, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit - deren sozialer Kompetenz eben - zum anderen.

Öffentliche Mittel für Erziehung, Schule, Bildung sind kein Luxus, sondern Investitionen - nicht nur bei Bauvorhaben. Nein: Es geht um unersetzliche Investitionen in die Zukunft unseres Landes - in unsere Zukunft. Wer später etwa sein Alterseinkommen genießen will, sei es aus Rentenkassen, aus Steuermitteln oder auch aus Kapital- und Anlagevermögen - volkswirtschaftlich ist da kein großer Unterschied, das wird häufig verkannt -, wer also seinen Ruhestand genießen will, der muss heute dazu beitragen, dass morgen ausreichend qualifizierte Menschen in die Arbeitswelt eintreten, die in der Lage sind, das nötige Bruttosozialprodukt im internationalen Wettbewerb bei uns auch zu erwirtschaften. Und da können wir uns Erziehungs- und Ausbildungsdefizite auf keiner Ebene - vom Kleinkind bis zum Hochschulabschluss - schlicht nicht mehr leisten. Und schon gar nicht können wir es uns leisten, dass 10 bis 20 % eines Jahrgangs sogar ohne Hauptschulabschluss entlassen werden - nicht in die Arbeitswelt, sondern in die Arbeitslosigkeit. Und eine Generation solcher Jugendlicher ist schon so gut wie verloren.

Schlagworte wie "Erziehungsauftrag der Familie", die "Erziehungskraft der Familie muss gestärkt werden" helfen nicht weiter. Die Verhältnisse sind halt so nicht mehr, sie kommen in absehbarer Zeit nicht wieder und können auch nicht herbeigeredet werden. Die klassische bürgerliche Familie, sei es ein Arbeiter- oder Mittelstandshaushalt, in der die Kinder geborgen aufwachsen und schulisch begleitet werden bis hin zur Nachhilfe und Hausaufgabenkontrolle gibt es nur noch in einer Minderheit. Vielen Eltern - oft allein erziehend - fehlt die Möglichkeit, fehlt die Zeit. Sicher fehlt es auch manchmal am Wollen, zunehmend mangelt es aber am Können.

Diese Defizite müssen - soweit möglich - kompensiert werden. Nicht nur der Bildung wegen, auch um die demografische Situation in Deutschland wieder zu verbessern.

1. Wir brauchen die Entwicklung vom fakultativen Kindergarten zur Vorschule für alle mit entsprechend qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Fachhochschulabschluss). Dies ist internationaler Standard in vergleichbaren Ländern mit denen wir in Konkurrenz liegen. Unsere Kindergärten waren vorbildlich vor 100 Jahren. Heutigen Anforderungen sind unsere Betreuungseinrichtungen nicht mehr gewachsen. Unsere ErzieherInnen erbringen engagierte, hervorragende Arbeit unter den gegebenen Bedingungen. Dies sei hier mit hoher Anerkennung betont. Sie haben aber aus heutiger Sicht unzureichende Rahmenbedingungen, Vorgaben und Qualifikationen.

2. ist die Umgestaltung aller Schulen zu Ganztagsschulen zwingend. Nicht nur Ganztagsbetreuung, das ist etwas völlig anderes. In der Ganztagsschule werden klassischer Unterricht, zusätzliche sportliche, musische und sonstige Aktivitäten, Hausaufgabenbetreuung usw. sinnvoll auf den ganzen Tag verteilt - für alle Schülerinnen und Schüler dann natürlich. Die Ganztagsbetreuung, zumal die fakultative kann nur ein ganz bescheidener Anfang sein. Denn diese erreicht häufig gerade diejenigen nicht, die es am nötigsten hätten.

Die 3. Notwendigkeit ist die Abkehr von unserem gegliederten Schulsystem mit zu früher Selektion. Der internationale Vergleich zeigt: Nur die Einheitsschule hat Zukunft. Dort werden die Kinder keineswegs über einen Kamm geschoren, im Gegenteil: Schüler werden dort ihren speziellen Fähigkeiten entsprechend bereichsspezifisch wesentlich individueller gefördert. Wer schlecht in Deutsch ist, kann gut sein im Rechnen. Und: die Starken helfen den Schwachen.

Wer hat das zu leisten? Wir alle! Natürlich nicht die Stadt Ludwigsburg allein. Aber: Die Aufsplitterung der Zuständigkeiten im vom Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung geprägten Deutschland darf nicht dazu führen, dass jede Ebene der anderen die Verantwortung zuschiebt und dies als Ausrede für eigene Untätigkeit verwendet.

Die Stadt Ludwigsburg hat über das ihr gesetzlich zwingend Aufgegebene (Vorschulbereich und Mindestausstattung der Schulen mit sächlichen Mitteln) hinaus die unausweichliche - wenn wir in der Welt bestehen wollen - Entwicklung vorzubereiten, voranzutreiben und zu begleiten.

Im Vorschulbereich wird die Stadt selbst Konzeptionen entwickeln und die sich hieraus ergebenden baulichen und personellen Veränderungen herbeiführen müssen. Für den schulischen Bereich werden zusammen mit dem Land, mit den Schulen, d.h. mit den Lehrkräften und den Schülervertretungen entsprechende Überlegungen anzustellen sein, um die städtischen Planungen auf die anstehenden umwälzenden Veränderungen einzurichten und falsche Weichenstellungen zu vermeiden (Stichwort: Campus). Das wird in den kommenden Jahren eine, wenn nicht die Hauptaufgabe der Stadt sein. Der Fachbereich Bildung Familie und Sport, mit Herrn Fröhlich an der Spitze, mit Ihnen Herr Hesky als zuständigem Dezernenten und Ihnen Herr Spec als Oberbürgermeister, werden gefordert sein. Den Bildungsbereich fit für die Zukunft machen, das muss Chefsache sein. Aber auch der Gemeinderat muss die notwendige Innovationskraft aufbringen:

Die Verwaltung muss zusammen mit den Schulen, der Jugendmusikschule und der Jugendkunstschule ein Konzept zu entwickeln, die Angebote der Jugendmusik- und der Jugendkunstschule zunehmend in den schulischen Alltag - als Zusatzangebote - zu integrieren.

Dies wird Teil der Ganztagsschule werden. Außerdem haben künstlerische und musische Erziehung über den eigentlichen Unterrichtsinhalt hinaus ein hohes Maß an Bildungswert. Dies muss allen offen stehen. Damit stellt sich allerdings dann zu gegebener Zeit auch die Frage der Höhe der Elternbeiträge. Schule und Vorschule müssen im Grundsatz kostenfrei sein. Dies fordert allein schon der unerlässliche Familienlastenausgleich. Der Antrag richtet sich an die Stadt und nicht etwa an den Verein Jugendmusikschule, da hierzu insbesondere die Schulen gewonnen werden müssen. Die Jugendmusikschule betreibt bereits ein entsprechendes Pilotprojekt in Asperg. Ähnliche Überlegungen werden dann auch zum Zusammenwirken von Vereinen und Schulen im Rahmen der in die Schulzeit integrierten Freizeitsportaktivitäten anzustellen sein.

Schulsozialarbeit gewinnt an Bedeutung. Aber nicht nur als Feuerwehr im Einzelfall. Ihre präventive Arbeit ist verstärkt in das Gesamtangebot einzubinden und in den Schulalltag zu integrieren.

Als Sofortmaßnahme haben wir die Erweiterungsbauten der Schulen für die Ganztagsbetreuung, die wir mit Hilfe der IZBB Mittel finanzieren können. Dazu gehört aber auch, dass wir eine gerade für eine Ganztagesschule wichtige Einrichtung nicht voreilig schließen. Die Verwaltung soll prüfen, wie die Stadtwerke an der Finanzierung des Betriebs und der Renovierung des Stadtbads beteiligt werden können. Schon jetzt, aber erst recht in Bezug auf den Ausbau der Schulen hin zu Ganztagsschulen wäre die Aufgabe des Stadtbads mitten im Schulviertel ein Schildbürgerstreich. Es ist das ideale Schulbad.

Wir fordern die Verwaltung auf, mit dem Gemeinderat zwei Expertenhearings zu folgenden Punkten zu veranstalten:

a) Zum Handlungsbedarf der Stadt auf dem Weg vom Kingergarten zur Vorschule

b) Zum Handlungsbedarf der Stadt auf dem Weg zur Ganztagsschule]

Mangelhafte Sprachkompetenz ist meist die Ursache für das schlechte Bildungsniveau in den Schulen. Und da fehlt es schon an Sprachkenntnissen der Eltern in Migrantenfamilien. Wie sollen da die Kinder ordentlich Deutsch lernen? Sehr wichtig sind deshalb die Sprachkurse der Volkshochschule in Deutsch. Die Zahl derjenigen, die sich nach diesen Kursen erkundigt, steigt. Die Teilnehmerzahlen gehen aber zurück. Viele können - oder wollen - sich dies nicht leisten. Das darf nicht sein. Denn - wie oben dargelegt - es handelt sich nicht um eine zweckfreie Wohltat für andere. Die Intergration, die Vermittlung von Deutschkenntnissen liegt vor allem in unserem ureigensten eigenen Interesse.

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