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Ansprache von Michael Vierling zur Verabschiedung von Herrn Stadtkämmerer Kiedaisch am 30. September 2020

Lieber Herr Kiedaisch,

mit dem Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg hatten Sie in den letzten zwei Jahrzehnten intensiv zu tun – eine Zusammenarbeit, die ich seit elf Jahren miterleben darf.
Für den Gemeinderat darf ich Ihnen heute einen ganz großen und herzlichen Dank aussprechen.

Denn Sie haben diese Zusammenarbeit äußerst seriös gestaltet, dazu sachorientiert, hilfreich und freundlich. Daraus ist Ihnen eine Autorität zugewachsen, die dazu beitrug, dass in all diesen Jahren die Haushaltsberatungen intensiv waren, aber zeitlich überschaubar und stets schon vor der Weihnachtspause erfolgreich beendet.

Denn das, meine DuH, ist doch das wichtigste Erfolgskriterium für einen Kämmerer, also für den städtischen Finanzminister: Bringen er und der Oberbürgermeister den Gemeinderat dazu, zum Haushaltsentwurf letztendlich mehrheitlich „Ja“ zu sagen? Das ist Ihnen immer gelungen, oft sogar mit fast einstimmigen Mehrheiten.

Herr Kiedaisch, die Stadt Ludwigsburg hat Ihnen viel zu verdanken. Sie haben uns viel gegeben. Wie viel? Rund vier Milliarden Euro. So viel hat die Kämmerei  in den Jahren unter Ihrer Leitung an bereinigten Einnahmen des Ergebnishaushalts realisiert. Einnahmen-Milliardäre sind wir durch Sie geworden, aber auch Bauherren im großen Stil: 400 Mio. € konnte die Stadt unter Ihrem Finanz-Zepter verbauen. Und das mit fast vernachlässigbar geringen öffentlichen Schulden.

Dabei war Ihr Erfolgsgeheimnis nicht nur das vertrauensvolle Zusammenarbeiten mit dem Gemeinderat, sondern auch, dass Sie Scharnier waren zwischen dem Oberbürgermeister und dem Gemeinderat. In dieser Rolle konnten Sie viel Konfliktstoff zwischen Rat und Verwaltung wegargumentieren und wegerklären. Oder anders gesagt: In der Erfolgsbilanz der 16 Jahre des Oberbürgermeisters Werner Spec steht der Kämmerer Ulrich Kiedaisch ganz oben auf der Aktiva-Seite.

Konflikte wegerklären - Ja, das Erklären ist eine Ihrer großen Stärken. Wie oft war der Kämmerer auch ein Kümmerer für uns Fraktionen, wenn wir rätselnd vor dem Haushaltsentwurf saßen. Ja, in den komplexen Fragen der kommunalen Haushaltswirtschaft inclusive der Doppik war Herr Kiedaisch immer wieder unser geduldiger Lehrer, denn da geht es ja um viel mehr als ums Zusammenrechnen von Zahlen. Von Wilhelm Busch wissen wir:

„Nicht allein in Rechnungssachen soll der Mensch sich Mühe machen Sondern auch der Weisheit Lehren Muss man mit Vergnügen hören Dass dies mit Verstand geschah war Herr Ulrich Kiedaisch da.“

Auch auf die komplizierteste Frage kam von Herrn Kiedaisch nie ein „weiß ich nicht“; auch die naivste Frage hat er noch wertschätzend beantwortet. Ich gebe schon zu, dass ich auch nicht immer alle seine Erklärungen verstanden habe, aber immerhin hatte man doch dann das Gefühl, dass man Herrn Kiedaisch auf dem von ihm empfohlenen Weg vertrauensvoll folgen durfte.

Aber sagte ich gerade “Muss man mit Vergnügen hören“? Da fällt uns die Vergnügungsteuer ein, eine ganz tolle Kommunalsteuer, die Herr Kiedaisch in Ludwigsburg zu neuer Blüte brachte. Ich habe nur nie verstanden, warum Gemeinderatssitzungen noch nicht vergnügungsteuerpflichtig sind.

Meine DuH, ein Kämmerer könnte ja der meistgehasste Mann in der Stadt sein. Denn sein Job ist es, „Nein“ zu sagen. „Nein“ zu den Fachverwaltungen mit ihrem unendlichen Ausgabenhunger, aber auch „Nein“ zu den Stadträtinnen und Stadträten mit ihren kreativen Ausgaben-Ideen. Aber wer kann schon so charmant „Nein“ sagen wie Herr Kiedaisch? Das hört sich dann so an: „Eine interessante Idee, aber vielleicht ist der ideale Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen.“ Da kann man Ihnen doch nicht böse sein.

So habe ich mir im Laufe der Jahre mit der Idee des Bürgerhaushalts einen Zahn an Herrn Kiedaisch ausgebissen. „Läuft in Stuttgart nicht berauschend. Wir wollen lieber die Bürgerschaft mit breiten Informationsmöglichkeiten mitnehmen.“ – So ungefähr seine diplomatische Reaktion. Und schon war der „Interaktive Haushalt der Stadt“ geboren – ein digitales Informationsangebot „Ludwigburgs Finanzen – Für jeden einsehbar“. Und schon waren die Grünen wieder ruhig gestellt.

Bei den Überlegungen, was man heute so sagen kann und soll, fiel mir plötzlich ein, dass ich keinen Schimmer habe, was der Name Kiedaisch eigentlich bedeutet. Aber schon die ersten Treffer im Internet machten mir deutlich – die Idee war Bullshit, es gibt bessere Themen als die Namenskunde.

Aus Ihrem Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung vor einigen Wochen haben wir Sie von ganz anderen Seiten kennenlernen dürfen, Herr Kiedaisch, Sie sind ein Musikbegeisterter – Musiktheoretiker und Musikmacher.
Letzteres stellen Sie uns heute eindrucksvoll unter Beweis. Wir wünschen Ihnen von Herzen, dass Sie in Zukunft an Ihre alte Musikleidenschaft wieder nahtlos anknüpfen können.

Aber Sie haben auch einmal einen Bioladen geführt. Alle Achtung - da ziehe ich meinen Hut vor Ihnen – schon mit dieser Entscheidung haben Sie gezeigt, dass Ihre Horizonte andere sind als die schnelle Gewinnmaximierung. Jetzt versuche ich den Kalauer zu unterdrücken, dass Sie vom Bioladen in einen Saftladen gewechselt sind, als Sie in die Dienste der Landeshauptstadt Stuttgart eingetreten sind.

Immerhin hat Sie Ihre Stuttgarter Tätigkeit in den Augen der Ludwigsburger dafür qualifiziert, hier den Fachbereich Finanzen zu leiten, auch wenn Sie mit Fahrrad und Rucksack manch konservativem Stadtrat zunächst etwas grün-alternativ suspekt waren.

Herr Kiedaisch, damit wir auch in Zukunft die Freude haben, Sie aus Stuttgart hinaus und zu uns nach Ludwigsburg hinein zu locken und damit wir uns an Ihrer angenehmen und wertschätzenden Art weiter freuen dürfen,

möchten wir Ihnen eine herzliche Einladung überreichen für ein Gitarrenkonzert im Forum am Schlosspark im März nächsten Jahres: Zwei Eintrittskarten für Ihre Frau und Sie für das Konzert von Tomatito, dem begnadeten Spross einer Gitarristen-Dynastie und Inbegriff des Flamenco Nuevo.
Auf die Rückseite der Glückwunschkarte von den Mitgliedern des Gemeinderats habe ich noch das Motto geschrieben
„The fundamental things apply -  as time goes by“, also etwa „Das Wesentliche bleibt, während die Zeit vergeht.“ Seien Sie überzeugt, Herr Kiedaisch, dass Sie hier in Ludwigsburg Wesentliches und Bleibendes geschaffen haben und dass wir uns immer daran erinnern werden.

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