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"Verkehr(t) mobil? - Besser unterwegs in Ludwigsburg!"

Bericht von der Podiumsdiskussion am 9. November 2011

Unsere Städte sind zunehmend durch Schadstoffe belastet. Es ist dringend geboten, den Trend beim CO2-Ausstoß endlich umzukehren und doch wollen wir nicht auf Mobilität verzichten. Dieses Spannungsverhältnis aufzuzeigen und konkrete Lösungsmöglichkeiten in Ludwigsburg zu diskutieren, war Inhalt einer Veranstaltung mit dem Titel „Verkehr(t) mobil“, zu der die Gemeinderatsfraktion am 9. November eingeladen hatte.

Als Gesprächspartner saßen auf dem Podium der Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg Werner Spec, Roswitha Matschiner als Vertreterin der Radinitiative, Markus Gericke als Vertreter des Fraktion und Prof. Dr. Hupfer von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Karlsruhe, der auch das Eingangsreferat hielt. Moderiert wurde der Abend von Peter Conradi.

Prof. Hupfer, dem die Ludwigsburger Verhältnisse von früheren Gutachten gut bekannt sind, ist davon überzeugt, dass sich der Verkehr durch die Herausforderungen der Klimaziele und der endlichen Ressourcen verändern muss, und dass wir gut beraten sind, uns frühzeitig aktiv darauf einzustellen. Der Verkehr, der sich heute in Ludwigsburg noch zu über 50 % als Autoverkehr darstellt, muss künftig deutlich stärker durch umweltverträgliche Verkehrsmittel abgewickelt werden. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die zum Umsteigen motivieren und ein verändertes, „optimodales“ Mobilitätsverhalten forcieren, d.h. es wird je nach Situation das optimale Verkehrsmittel gewählt, wobei das Auto nur dann genutzt wird, wenn es keine Alternativen gibt. Chancen für Veränderung sieht er dadurch, dass die Autonutzung – gerade bei jungen Erwachsenen – im Wandel, Carsharing im Kommen und das Fahrradfahren im Aufwind ist. Gerade Pedelecs erleichtern den Umstieg. Dem Elektroauto erteilt er jedoch eine Absage, weil es unsere Verkehrsprobleme wie beispielsweise Stau und Parkraumansprüche nicht lösen kann. Einzig die Verlegung der Emissionen an den Ort der Stromerzeugung und damit raus aus der Stadt ist ein Vorteil.

Es wird nicht anders gehen: Wir müssen die Änderung des Mobilitätsverhaltens forcieren.

Von Seiten der Kommune könne dies durch „push and pull“ erreicht werden. Damit ist gemeint, dass die Hürden für die Nutzung des Autos auf der einen Seite erhöht werden. Auf der anderen Seite muss die Stadt aber Anreize schaffen, um den Umweltverbund zu stärken. Es muss also attraktiver werden, mit dem öffentlichen Nahverkehr, dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs zu sein. Die positiven Folgen werden sein, dass sich die Lebensqualität durch geringeren Lärm und verminderte Luftverschmutzung erhöht, dass der öffentliche Raum mit hoher Nutzungsqualität gestaltet werden kann, und dass eine wohnortnahe Versorgung Zukunft habe. Zuversichtlich stimme ihn, dass in den neuen Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen die „ausgewogene Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche für den Straßenraum“ festgeschrieben wird. „Dabei wird es vielfach – vor allem in den Innenstädten – erforderlich sein, die Menge, oder zumindest die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs an Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren und den Fußgänger und Radverkehr sowie den öffentlichen Personennahverkehr zu fördern...“

In der Gesprächsrunde waren sich alle Teilnehmer einig, dass sich die bisherige Infrastruktur zu stark an den Bedürfnissen des Autofahrers orientiert hat, und dass der schwächere Verkehrsteilnehmer zu schützen ist. Nutzungskonflikte wie in der Schillerstraße müssen gelöst werden, wo wenige parkende Fahrzeuge am Straßenrand den starken Schülerverkehr auf dem Fahrrad gefährden. Eine aktive Öffentlichkeitsarbeit ist notwendig, um eine Bewusstseinsveränderung voran zu bringen. Nur so könnnen die notwendigen Mehrheiten gefunden werden. Nach dem Motto „Politik braucht Leadership“ wurde auch vom Oberbürgermeister eine stärkere Positionierung gefordert. Dieser wollte jedoch mehr Personal für diese Aufgaben in der Stadtverwaltung mit Hinblick auf die Haushaltslage nicht zusagen.

Weiteren Diskussionsstoff lieferte die Stadtbahn. Obwohl die Untersuchungen nur knapp über der Wirtschaftlichkeitsmarke lagen, könne sie zum Erfolgsmodell wie in Karlsruhe werden. Entlang der Schienenstrecke gebe es in der Folge viele positive Effekte: steigende Bevölkerung, steigende Immobilienwerte, steigende Wirtschaftskraft usw. Darüber hinaus bringe sie Menschen direkt vor die Tür des Einzelhandels, mache innerstädtisch (Park-)Platz frei. – Und biete auch den Bevölkerungsteilen eine Alternative, die sich kein Auto leisten können oder wollen.

Zum Schluss fragte Peter Conradi die Podiumsteilnehmer nach ihren Visionen für Ludwigsburg in 10 Jahren. Veränderung brauche Visionen: Es kann ein erklärtes Ziel sein, den Autofahreranteil auf 25 % zu senken (Hupfer). Prioritäten müssen gesetzt und im Haushaltsplan der Stadt eingestellt werden, aber dann auch abgerufen werden. Nur die Verbesserung der Rahmenbedingungen fördert ein anderes Verhalten (Matschiner). Neben den vielen kleinen Maßnahmen sollten ein großes Projekt wie die Stadtbahn vor der Umsetzung stehen und Alternativen wie autoarmes Wohnen vorangetrieben sein (Gericke). Es müssen Mehrheiten gefunden werden, wenn die Veränderungen schneller laufen sollen. Dazu ist die Mitwirkung der Bevölkerung notwendig (Spec).

Allen gemein war die Überzeugung, dass hier Mut zur Gemeinsamkeit gefordert sei, denn nur wenn an einem Strang gezogen würde, könne die dringend notwendige Veränderung erreicht werden.

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