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Rede: Michael Vierling, Fraktion B 90 Die Grünen, WKV Ludwigsburg 26.05.20, TOP 1 Wohnen

Unser heutiges Top-Thema hat ja eine heraus ragende Rolle gespielt vor einem Jahr – im Kommunalwahlkampf und in Ihrem Oberbürgermeisterwahlkampf, Herr Knecht.


Nach einem Jahr jetzt die ersten Schritte. Getreu dem Motto „Nicht alles anders machen, aber vieles noch besser machen als bisher.“ Was heißt das beim Thema Wohnen?


Der Zuzugsdruck auf die Region hält an. Auch mit und nach Corona, auch mit dem Strukturwandel zur Green Economy bleibt der Südwesten und mit ihm die Stadt Ludwigsburg ein Zentrum der Wertschöpfung, ein Zentrum wirtschaftlicher Kreativität. Moderne Arbeitsplätze, ein reiches kulturelles Leben, eine gute soziale Infrastruktur - da wollen viele Menschen arbeiten und leben und wohnen. Steigende Immobilienpreise und Mieten zeigen das Ausmaß des Wohnungsmangels; Ludwigsburg braucht zweifellos mehr Wohnraum; gut, dass derzeit in der Stadt gebaut und geplant wird – aber das wird nicht reichen, wir brauchen weitere Initiativen für mehr Wohnraum.


„Potenzialflächen für Wohnbauland“ hieß der letzte größere Aufschlag der Stadtpolitik vor sieben Jahren – es ist absolut richtig, dass wir den Blickwinkel jetzt ein wenig verschieben hin zum Konzept „Wohnraumentwicklung“. Was ist der Unterschied? Vor allem die Sorge um den Flächenverbrauch. Aus Umwelt- und Klimagründen brauchen wir ganz dringend die Trendwende weg vom Flächenfraß – hin zur Flächenentsiegelung. Stärker denn je muss der Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenerweiterung“ gelten. Und der heutige Beschlussvorschlag trägt dem Rechnung.


Klar, dass überprüft werden muss, welche Potenzialflächen aus dem sieben Jahre alten Beschluss noch zur Bebauung anstehen, aber die Suche nach weiteren größeren Potenzialflächen ist definitiv nicht unser heutiges Hauptanliegen. Der Fokus liegt richtig auf der effizienteren Nutzung des Bestandes an Gebäuden und versiegelten Flächen.


Höhe und Dichte sind dabei Schlüsselthemen. Dachausbauten, Dachaufstockungen von Wohngebäuden, aber auch Aufstockungen von Sozial-, Büro- und Gewerbebauten sind ein lohnendes Thema. Und eine herausfordernde Aufgabe für Stadtentwicklung und Stadtbau. Denn es geht um nichts weniger als Qualität, Sozialverträglichkeit, Bezahlbarkeit, um nachhaltige Bauweise, um energetische Optimierung und um verkehrsräumliche Eignung.


Stadt werden“ ist traditionell das Ludwigsburger Motto, und das bleibt die Daueraufgabe: Die Stadt der kurzen Wege, der nachhaltigen Mobilität, des sozialen Miteinanders.


Das findet hier in den Punkten des Beschlussvorschlags seinen Niederschlag:

  1. Höhe: Gehen wir selbstbewusster mit dem Thema Höhe um: neben Dachaufstockungen gehört dazu die Diskussion um Mehrgeschossigkeit, um aufsetzbare Mikrowohnungen (Rooftop), um Fassadenbegrünung und um angemessene Gebäudeabstände.
  2. Stellplatzsatzung: Der Mobilitätswandel bedeutet auch eine Abkehr von starr vorgegebenen Stellplatzzahlen, die das Bauen verteuern und wertvollen Stadtraum für unbelebtes Blech vergeuden. Gewisse Laufwege zwischen Wohnung und Stellplatz, so er denn benötigt wird, sind zumutbar. Und das Auto der Zukunft ist weniger Eigentumsobjekt, sondern stärker flexibler gemeinschaftlicher Mobilitätsdienstleister. Da können wir uns auch gut weitere Anpassungen des Schlüssels nach unten vorstellen.
  3. Baulückenkataster und Bebauungsberatung: Lückenschlüsse sind die nächstliegende Lösung, aber in der Realisierung oft vertrackt; da dürfen wir als Verwaltung und Politik nicht locker lassen. In manchen Fällen haben sich da auch erhaltenswerte innerstädtische Grünzonen aufgetan.
  4. Wohnen und Gewerbe zusammen bringen. Unsere traditionelle bauplanungsrechtliche Trennung von Wohnen und Gewerbe atmet noch den alten Geist von stets emissionsreichem Gewerbe und daher gewerbegefährdendem Wohnen. Dabei haben wir doch eine tolle wirtschaftliche Weiterentwicklung: Wenn die Wirtschaft einen Schub zu Dienstleistungen und Digitalwirtschaft erfährt, dann wird sie weniger lärmintensiv und weniger Schadstoff-intensiv. Loten wir die Potenziale von Mischgebieten und von Urbanen Quartieren aus und nutzen wir sie aus. Füllen wir auch insofern den Ludwigsburger Begriff „Gewerbegebiet der Zukunft“ mit innovativem Inhalt.
  5. Und weiter ein Miteinander von städtischer Wohnungsbaugesellschaft WBL und privaten Bauträgern mit dem Ziel von qualitätvollen und bezahlbaren Wohnungen. Da sehe ich im übrigen keine neuen Einfamilien- und Reihenhausgrundstücke für Ludwigsburg mehr. Für das eigene Haus oder Häuschen müssen wir Interessenten auf den Bestandsmarkt verweisen. Mit neuen Baugrundstücken müssen wir regelmäßig mehrgeschossig umgehen.

Ja und Punkt 7 der Vorlage nennt ein Kooperationsmodell zur Beratung von Interessenten für Baugruppen. Ich sehe das mal als Einfalltor für den weiten Bereich der Möglichmachung  von „neuen Wohnformen“, die schon mit dem Zusammenfinden von Interessenten beginnt, die Nachbarschaft nicht als trennendes, sondern als verbindendes Element des Wohnens leben wollen.


Wir als Fraktion der Grünen möchten Ihnen und uns vorerst dazu noch mitgeben:

  1. Leerstands-Management: Wir brauchen einen neuen Enthusiasmus für die Belegung freier Wohnungen und Häuser. „Eigentum verpflichtet“ zitierte Herbert Babel vor wenigen Tagen zutreffend die Verfassung, als er anlässlich der Gedenkveranstaltung Grundgesetz auf den Skandal des leer stehenden Wohnraums aufmerksam gemacht hat.
  2. Frischluftschneisen freihalten und innerstädtisches Grün ausbauen, Wasserflächen konzipieren. Denn städtischer Klimaschutz und städtische Klima-Anpassung müssen Zentralkriterium werden.
  3. Anreize schaffen, das Wohnen und Arbeiten räumlich stärker zusammen zu bringen. Qualitätvolle Stadtentwicklung gelingt um so besser, je weniger unsere Stadt das Bild eines Straßennetzes für Berufspendler abgibt.
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