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Haushaltsrede Fraktionsvorsitzender Florian Sorg zum Haushalt 2024 im Gemeinderat, 22. November 2023

22.11.23 Haushaltsrede, Bündnis90/Die Grünen, Florian Sorg, Fraktionsvorsitzender

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Knecht, sehr geehrte Frau Erste Bürgermeisterin Schmetz, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Schwarz,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Mannl,

liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Anwesende,

 

in einem Monat und zwei Tagen sitzen wir unterm Christbaum vielleicht mit Schnupfennase und beschenken uns. Auf ein kräftiges „Hatschi“ folgt ein kräftiges „Gesundheit!“. Wenn wir bald nach Montbéliard reisen, stoßen wir auf unsere Freundschaft an und sagen: „Santé!“ - Französisch: Gesundheit. Corona hallt noch weiter nach mit dem Gruß der unter vielen E-Mails steht: „Bleiben Sie gesund!“

Gesundheit ist ein hohes menschliches Gut. Gesundheit wünschen wir für uns, unsere Lieben und für alle, die nach uns kommen. Ich wünsche mir, dass unsere Bürgerinnen und Bürger auch in den nächsten zwei Jahrzehnten bei guter Gesundheit zusammensitzen können – im Grünen unter einer gesunden, kühlenden Kastanie. Diese gute Gesundheit ist jedoch nicht selbstverständlich.

 

Ella Kissi-Debrah lebte in der Nähe einer stark befahrenen Straße in London. Sie erkrankte schwer und starb mit neun Jahren an Asthma. So stand es auch auf dem Totenschein. Doch Ellas Mutter wollte genau wissen, woran ihre Tochter starb. Sie ließ die Todesursache, die typisch für alte Menschen ist, nicht gelten. Nach langem Rechtsverfahren bestätigte vor knapp drei Jahren ein Gericht die Luftverschmutzung als Todesursache.

 

Wie wir auch in Ludwigsburg mit unserer Atmosphäre umgehen, ist tödlich. Wir stopfen sie mit Abgasen voll und heizen sie auf.

Für einen gesunden Planeten mit gesunden Menschen brauchen wir jetzt konsequenten Klimaschutz.

Dadurch verzichten wir – auf schmutzige Luft und viele Hitzetote.

Nichtstun und Hoffen, das es schon nicht so schlimm wird, ist keine Option. Nicht genug tun, wird am teuersten, da dann mehr für Klimaanpassung gemacht werden muss. Die Hände in den Schoß legen, kostet uns Menschenleben.

Das Robert-Koch-Institut schätzte für das Jahr 2023 deutschlandweit rund 3200 hitzebedingte Sterbefälle.

 

Der vergangene Monat war der wärmste Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Am Ende des Jahres wissen wir, ob dieses Jahr das heißeste seit 125.000 Jahren war - mit prognostizierten 1,43 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau.

Die UN-Wetterbehörde meldete vor Kurzem, dass so viel Treibhausgase wie nie in der Atmosphäre sind.

 

Die Erdüberhitzung kann auch nicht einfach wieder zurückgedreht werden.

Versuchen Sie mal ein hartgekochtes Ei wieder flüssig zu machen. Das schaffen Sie nicht. So verhält es sich auch mit der Erde, wenn Kipppunkte überschritten werden. Diese Kipppunkte werden bereits bei 1,5 Grad globaler Erwärmung erreicht.

Ein Ei besteht aus Wasser, Eiweiß und Fett – wie unser Gehirn. Auch das funktioniert ab 28 Grad nicht mehr so gut.

Daher titelte die Lokalzeitung zu Recht letzten Donnerstag (16.11.) zur Klimakrise „Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste“.

 

Ludwigsburg ist nicht untätig in Sachen Klimaschutz. Das versuchen Sie, Herr Knecht, ja auch mit Finanzzahlen darzustellen – in der Übersicht über klimarelevante Ausgaben. Vielen Dank dafür. Ich habe auch wieder die Sonnenschirme für die Kitas entdeckt, die sie mit rein rechnen. Sonnenschutz brauchen wir in Schulen und Kitas mehr denn je. Die geplanten Mittel für tatsächlichen Klimaschutz veranschlagen Sie mit 6,1 Millionen Euro.

Zur Relation: für Sportstätten - siehe Haushaltsquerschnitte ab Seite 47 des Haushaltsentwurf - wird mit 7,5 Millionen Euro locker eine Million mehr verplant und für Wirtschaft und Tourismus sogar über 10 Millionen Euro.

Auch diese Ausgaben müssen ab jetzt auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit einzahlen! (4241 Sportstätten, 75 Wirtschaft und Tourismus)

 

Wir leben in Krisenzeiten: Russlands Angriff auf die Ukraine, Energiekrise, Terror der Hamas und Krieg in Nahost und immer stärker verschärfend die Klimakrise.
Krise bedeutet im Altgriechischen Entscheidung und Wendepunkt - es wird nicht mehr so wie vorher. Doch wir hier sind Entscheiderinnen und Entscheider. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden.

 

Wir rutschen mit rund 14 Millionen Euro ordentlich ins Minus. Das ist kein tragfähiges Ergebnis. Wir haben keine Möglichkeit Geld für notwendige Investitionen zu erwirtschaften.

Dennoch investiert die Stadt kräftig in Schulen, in Kitas, in Sportparks, in Mobilität. Da mausert sich Ludwigsburg zum Konjunkturanschieber. Gut für die schwächelnde Bauwirtschaft, die nach Baufieber nun eine Abkühlung verspürt.

Die lokale Wirtschaft braucht diese Investitionen in unsere städtische Infrastruktur. Die Unternehmen brauchen Mitarbeitende, die verlässlich ihre Kinder in Kitas und gesunde Schulen schicken können. Sie brauchen Verkehrswege und ausgebaute Radwege, damit die Angestellten sicher zur Arbeit kommen können. Dazu braucht die Stadt aber auch die Mittel und davon ist zu wenig in Ihrem Haushaltsentwurf veranschlagt worden!

 

Klar ist auch, dass dieser Haushalt allein durch höhere Steuern und schon gar nicht durch höhere Kitagebühren zu retten ist. Wir müssen das strukturelle Problem angehen und das Defizit möglichst verringern. Interessant ist dabei, dass das 2024 geplante Gewerbesteuerergebnis um 10 Millionen niedriger liegen soll, als vor zwei Jahren. Auch daher ist es ein Schuss ins Knie, wenn der Gewerbesteuerhebesatz zurückgehen sollte.

 

Vor wenigen Tagen hat der Bundestag das Wachstumschancengesetz verabschiedet. Während sich der Mittelstand über zahlreiche Erleichterungen freuen darf, ist für den Städtetagspräsident (Markus) Lewe von der CDU die Planungen eine „echte Hiobsbotschaft“. Den Kommunen entgehen dadurch Milliardeneinnahmen.

 

Für uns Grüne kann es nicht angehen, dass Ihr Haushalt, Herr Knecht, statt auf starken Schultern auf die Kitaeltern der Stadt abgewälzt wird. Wir Grüne wollten keine Gewerbesteuererhöhung. Doch die Gewerbesteuer unangetastet zu lassen und gleichzeitig die Kitagebühren um 8 % zu erhöhen, geht mit uns nicht.

Daher fordern wir eine Absenkung der Kitagebührenerhöhung auf 4 %. Dazu haben wir uns mit SPD und Linke verständigt. Als sozialgerechte Gegenfinanzierung fordert ein interfraktioneller Antrag eine leichte Anhebung der Gewerbesteuer.

 

Mit unseren Haushaltanträgen wollen wir angemessene Maßnahmen gegen die Klimakrise angehen. Die Bürgerinnen und Bürger Ludwigsburgs wollen die Energiewende. In den Stadtteilausschüssen und in Anschreiben fragen die Menschen: wann kommt wo die Fernwärme und wo braucht es eine Wärmepumpe. Diese kommunale Wärmeplanung müssen wir schleunigst beschließen um Klarheit zu schaffen. Zur Erreichung dieses Ziels beantragen wir Abwrackprämien für den Abschied von Gas und Öl und Förderungen für den Anschluss an Fernwärme oder Wärmepumpen.

Auch braucht es mehr Flächen für Energieerzeugungsanlagen und Photovoltaik auf Dächer, Fassaden und weiteren freien Flächen. Etwa 80 Prozent des Dachflächenpotenzials in der Stadt sind ungenutzt. Beim Klimaschutz, wie aber auch bei der Digitalisierung und Konsolidierung sind wir auf bestes Personal angewiesen. Angestellte können wir aber nur in entfristeten Arbeitsverhältnissen halten.

Natürlich muss auch die Mobilität ihren Beitrag zur Klimawende leisten und dazu muss unter anderem der Radverkehr noch mehr gestärkt werden. Schneller Radwege bauen ist bei 90-prozentiger Förderung auch wirtschaftlich sinnvoll.

 

Wir möchten lieber Geld für viele kleine effektive Maßnahmen wie beispielsweise abgesenkte Bordsteine, Fahrradständer, Markierungen zur Erhöhung der Sicherheit usw. beantragen, als für zusätzlich ein weiteres großes Vorzeigeprojekt. Die vielen kreativen Ideen und kleinen Wünsche aus der Bevölkerung, den Stadtteilausschüssen und der Radwegeinitiative müssen auch umgesetzt werden. Auch die schrittweise Ausweitung des Bewohnerparkens muss vorangebracht werden. Es kann nicht sein, dass Sprinter, Anhänger und ganze Sattelschlepper die Parkplätze der Anwohnenden wegnehmen. Öffentlicher Raum darf nicht weiter umsonst und auf Kosten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

Für manche mag es naheliegend sein bei knappen Kassen an der Kultur sparen zu wollen. Doch wir brauchen mehr denn je sozialen Zusammenhalt. Und Kultur ist der Kitt der Gesellschaft. Daher fordern wir einen Inflationsausgleich für die Kulturinstitutionen Ludwigsburgs. Der Theatersommer hat

Generationen von Kindern an das Theater herangeführt. Dieser benötigt unter neuer Leitung mehr Unterstützung um das hochwertige Programm fortführen zu können. Daher setzen wir Grüne uns dafür ein, dass noch viele Spielzeiten kommen können.

 

Inhaltlich werden meist unsere Haushaltsanträge alle Jahre wieder gutgeheißen. Das konsequente Zustimmen bleibt dennoch oft aus.

Wir sehen, dass es aber richtig ist, diese zu stellen. Letztes Jahr haben wir eine Aufstockung des Klimabonus auf eine halbe Million Euro gefordert sowie Genussrechtskapital für die SWLB. Beides kommt nun dieses Jahr. Das kann uns aber nicht zufrieden machen, denn wir brauchen keine Trippelschritte, sondern Siebenmeilenstiefel auf dem Weg zur Klimaneutralität.

 

Für die Konsolidierung im Rahmen von WIN LB brauchen wir neue Ansätze für Einnahmen und Einsparungen. Hier brauchen wir Offenheit und Kreativität neue Wege zu gehen. Ludwigsburg darf nicht kaputt gespart werden. Daher müssen wir eine Grundsteuer C, eine Verpackungssteuer für eine saubere Stadt, sowie die Ausgabenstreckung des Sportparks Ost ergebnisoffen prüfen.

 

Vielen Dank an Herrn Kistler und Team und dass Sie uns immer Rede und Antwort standen. Besten Dank auch an Frau Karstedt für Ihren guten Einstieg unter schwierigen Voraussetzungen.

Herr Knecht, Sie möchte ich ermutigen Ihre anpackende Art auch bei Klimaschutz und Konsolidierung zu zeigen und nicht nur beim Verhindern von Schleichverkehr. Klimaschutz ist Voraussetzung für den viel beschworenen sozialen Zusammenhalt. Wir müssen endlich in die Umsetzung von Mobilitäts- und Energiewende kommen, statt sich im Kreis drehende Diskussionen um Stellplätze zu führen: In Anlehnung an eine frühere Aussage von mir an dieser Stelle könnte man zugespitzt sagen: Wenn der Verkehrsfluss die Richtung ändert, bauen die einen Fahrradwege und die anderen Parkhäuser. Wir werden uns alle leichter an 0,1 weniger Stellplätze gewöhnen, als an eine weit über 1,5 Grad heißere Welt.

Vielen Dank

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Unsere Haushaltanträge für 2024 gibt es hier...

 

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