video_label

Rede zum Haushalt 2005

1. Teil von Roswitha Matschiner

Ich unterstelle mal: "Nachhaltigkeit" war in diesem Jahr das wohl meistgebrauchte Wort in der Kommunalpolitik:

Die Bundesregierung hat ihren Fortschrittsbericht 2004 "Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland" vorgelegt;

Auch der Nachhaltigkeitsbeirat BW hat seinen Bericht vorgelegt;

Vor kurzem wurde uns hier der Nachhaltigkeitsbericht der Stadtverwaltung vorgestellt

und Sie Herr Spec haben in Ihrer HH-Rede die Bedeutung Nachhaltiger Kommunalpolitik betont und dabei das Stadtentwicklungskonzept, das uns den Weg für die nächsten 20 Jahre weisen soll, angesprochen.

 

Was macht nachhaltige Kommunalpolitik aus?

Sie Herr Spec haben in Ihrer Rede gesagt, dass es dabei um die ethische Verantwortung geht, haushaltspolitische Ziele so zu definieren, dass sich künftige Generationen nicht mit angesammelten HH-Defiziten, aufgehäuften Schuldenbergen oder den Folgen schleichend vernachlässigter Infrastruktureinrichtungen herumschlagen müssen.

Und es geht um den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft, die wir nicht mehr verschmutzen und verbrauchen dürfen als der natürliche Reinigungsprozess zulässt. Mit einer Versiegelungs­abgabe, die versiegelte Flächen extra berücksichtigt, schaffen wir Anreize zur Entsiegelung. Der Nachhaltigkeitsbeirat führt in seinem Umweltplan u. a. Versiegelungsabgaben als Anreiz für flächenschonendes Bauen und verstärkte Bestandsnutzung vor.

 

Es geht um Energie, die wir nur verbrauchen dürfen soweit sie sich auch wieder erneuert. Da sehen wir die Stadt in der Verantwortung, mit dem Bezug von Ökostrom ein Zeichen zu setzen. Da nicht abzusehen ist, wann die Stadtwerke in das Stromgeschäft einsteigen, wollen wir mit dem Antrag nicht solange warten. Um nachfolgenden Generationen nicht mit unserer Lebensweise zu belasten, haben wir heute besondere Belastungen gleichzeitig zu bewältigen:

 

Wir müssen

1. Schulden abbauen um künftige Generationen nicht zu belasten;

2. jahrzehntelang vernachlässigte Gebäudesubstanz und Infrastruktur durch Sanierung erhalten;

3. Altlasten in Gebäuden und Boden aufwändig beseitigen und wir haben

4. die Verantwortung mit unseren aktuellen Maßnahmen künftige Generationen nicht zu belasten; d.h. umweltfreundliche Beschaffung, Baumaterialien, Nutzung erneuerbarer Energien, Verwendung fairer Produkte (produziert ohne Kinderarbeit und Ausbeutung anderer Völker). Wir haben dazu bereits im Zusammenhang mit dem Umweltbericht Anträge eingereicht. Das alles kostet aber mehr als der Bezug von Material, das billig und Ressourcen verbrauchend hergestellt wurde und die Schäden und Risiken künftigen Generationen aufhalst.

 

Trotzdem müssen wir diese finanzielle 4-fach-Belastung schultern wenn wir zukunftsfähig Politik machen wollen. Und deshalb sind Einsparungen "auf Teufel komm raus" nicht nachhaltig. Wir sehen die Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit in der Verantwortung, diese Aufgabe zu finanzieren. Schließlich geht es um deren Zukunft. Ludwigsburg ist eine attraktive Stadt - sowohl zum Wohnen als auch zum Arbeiten - es ist deshalb nicht nachvollziehbar, dass wir mit der Gewerbesteuer und der Grundsteuer im regionalen Vergleich hinten liegen. Wir haben bereits im letzten Jahr einen Antrag zur Anhebung der Grundsteuer angekündigt und sehen den Bedarf dafür bereits 2005 und nicht erst 2006, wie die Verwaltung. Mit einer moderaten Erhöhung der Gewerbesteuer auf 370 Punkte liegen wir immer noch niedriger als vor 5 Jahren (damals war der Hebesatz bei 375 Punkten). Und wir meinen, dass sich in diesen 5 Jahren vor allem die nicht zu vernachlässigenden "weichen" Standortfaktoren verbessert haben. Wir stehen gut da in der Region und könnten durchaus etwas selbstbewusster auftreten.

 

Auch Mobilität muss zukunftsfähig gestaltet werden. Luft- und Lärmbelastung des Verkehrs haben schon heute in vielen Bereichen der Stadt das erträgliche Maß überschritten. Verkehr wie wir in heute produzieren ist sehr flächenaufwändig. Umgehungsstraßen - wie hier von einer Mehrheit gefordert - lösen das Problem langfristig nicht und zerstören schon kurzfristig die letzten Naherholungsflächen, die wir in dieser dicht besiedelten Region so dringend brauchen. "Nachhaltig" sind diese Vorschläge ganz sicher nicht.

Der Nachhaltigkeitsbericht der Stadt gibt da eine klare Priorität vor:

1. Überflüssige Fahrten vermeiden - mehr zu Fuß gehen und Fahrrad fahren.

Das wird gemacht wenn die Angebote attraktiv genug sind. Städte mit einem Fahrradanteil von 30% am Verkehrsaufkommen belegen das. Mit unserem Antrag dazu wollen wir die Bedingungen verbessern.

2. restliche Verkehrsleistungen auf den öffentlichen Verkehr verlagern. Da selbst bei guten Busverbindungen der Bus im Stau steht - sofern er keine eigenen Busspur hat - muss der Schienenverkehr - die effektivste Mobilität die wir haben - weiter ausgebaut werden. Dazu haben wir zahlreiche Vorschläge gemacht, die ich hier nicht wiederholen muss.

3. Der motorisierte Verkehr muss verlangsamt und technisch optimiert werden. Da ist die Stadt mit ihren Tempo-30-Zonen auf dem richtigen Weg. Im eigenen Fuhrpark und im Busverkehr trägt die Stadt die Verantwortung für eine technische Optimierung, wie z.B. reduzierter Kraftstoffverbrauch und Rußfilter. Eine Förderung des MiV, wie z.B. bei der Parkierung, steht diesem Ziel entgegen. Wir fordern deshalb zum wiederholten Mal, keine öffentlichen Stellplätze kostenlos (wie z.B. auf der Bärenwiese) oder subventioniert (z.B. PAG und Mitarbeiterstellplätze für städt. Bedienstete) zur Verfügung zu stellen. Unser Ziel ist, den Ausbau des ÖV über eine Holdingstruktur (wie bei der PAG) zu fördern.

 

Der drohenden Überalterung der Bevölkerung will die Stadt mit neuen Baugebieten im Außenbereich entgegenwirken. Ein Einfamilienhäuschen mit Garten drum rum mag für viele eine Idylle sein - zukunftsfähig ist das nicht. Die Alten werden dort in 50 Jahren vereinsamen und sich nach Infrastruktur und dem Leben um sich herum sehnen. Viel wichtiger als neue Baugebiete ist bezahlbares Wohnen in der Stadt, kinderfreundliche und sichere Fuß- und Radwege, eine gute Infrastruktur für Kinderbetreuung und die täglichen Besorgungen. Parks, Kultur- und Sportangebote, von denen Ludwigsburg viel aufzuweisen hat und die es gilt zu pflegen und weiter auszubauen.

 

Wir stellen fest, dass das Programm PUSCH im Etat der Spielplätze aufgegangen ist. Dort standen jedes Jahr 200 000 Euro zur Sicherung und Erneuerung von Spielplätzen zur Verfügung. Die Prioritätenliste konnte mangels Geld in keinem Jahr abgearbeitet werden. Wenn nun das Programm PUSCH dazu kommt, muss auch der Etat aufgestockt werden. Das ist sinnvoller als ein überzogenes "Ehrenmal" in Neckarweihingen.

 

Wir freuen uns, dass es gelungen ist, die 10%ige Kürzung für Sport- und Kulturvereine vom letzten Jahr auf 5% zurück zufahren. Das kulturelle Angebot der Stadt und ihrer Kulturvereine erstreckt sich von der frühkindlichen musikalischen Erziehung bis hin zu den Schlossfestspielen. Kommunale Kulturpolitik muss diese Spiel- und Experimentier-räume erhalten. Neben der sog. "Hochkultur" ist die Karlskaserne ein Projekt auf das wir stolz sein können, das aber noch weiter entwickelt werden muss. Sobald die Haushaltslage dies ermöglicht, wollen wir die dritte Ausbaustufe in den Stallungen Ost vorantreiben.

 

Das Kulturzentrum ist ein zentraler und viel besuchter Ort für den Austausch von Informationen und die Präsentation von Arbeitsergebnissen. Wenn Vereine, Schulen, Initiativen ihre Arbeiten und Projektergebnisse zentral in Ludwigsburg vorstellen wollen, bieten sich dafür die Flure des Kulturzentrums an. Leider wurde bei der Sanierung versäumt, die Ausstellungsmöglichkeiten auf den Standard des Gesamtgebäudes zu bringen. Es fehlt eine angemessene Beleuchtungseinrichtung und eine akzeptable Hängevorrichtung.

 

Das Kulturamt wird künftig mit einer neuen Fachbereichsleitung weitere Aufgaben übernehmen müssen und wir hoffen, dass die Umstrukturierung mit der Eingliederung des Forums gelingt. In den letzten Jahren ist der Anteil der Kulturveranstaltungen im Forum kontinuierlich zurückgegangen. Messen und andere Veranstaltungen haben zugelegt. Sollte sich diese Entwicklung aber weiter fortsetzen schadet das dem guten Ruf, den sich das Forum mit einem hochkarätigen kulturellen Angebot erworben hat.

 

Auch der Vereinssport braucht dringend Räume, damit Mitglieder nicht abwandern. Wir stehen deshalb hinter dem Neubau der Sporthalle in Eglosheim. Es ist richtig, dass der Hartplatz geschont wird, aber bedenklich, wenn ein anderer Verein dafür beschnitten wird. Die Bauspielplatz-Erweiterung ist schon lange im HH eingestellt. Wir brauchen da eine einvernehmliche Lösung wie z.B. die Integration von weiteren Räumen im UG der neuen Halle.

 

Bei allem Bemühen dem demografischen Faktor entgegen zu wirken, werden die Alten zunehmen. Die Alten wollen nicht in ruhige Heime am Stadtrand. Eingebunden sein in das Geschehen, gebraucht werden, hält länger jung. Die geplante Altenbetreuung "Hirschberg" mitten in Eglosheim ist der richtige Weg: mit einem Wohngruppenkonzept, das hilft, die Eigenaktivitäten solang wie möglich zu erhalten. Dieses Projekt wird schon lang von der Bevölkerung gewünscht und ist ein weiterer Beitrag zur Veränderung der sozialen Strukturen im Stadtteil. Der Bau muss aber zum Stadtteil hin geöffnet werden, z.B. durch das Einbeziehen der Cafeteria wo Gemeinwesenarbeit stattfinden kann.

Gemeinwesen stattfinden kann auch in Wohnprojekten mit Generationen übergreifendem Wohnen. Vorraussetzung dafür sind Gemeinschaftsräume, die von allen mitfinanziert werden, sowie eine professionelle Betreuung. Ob die Bewohner die dafür zusätzlichen Kosten selbst tragen können - wie sich die Stadtverwaltung das vorstellt - wird sich zeigen.

 

Auch mit der Neuausrichtung der "Ludwigsburger Wohnbau" sollen Fehler der Vergangenheit (Ghettobildung) berichtigt werden. Aber auch eine verstärkte wirtschaftliche Ausrichtung der Wohnbau entbindet das städt. Unternehmen nicht von seiner sozialen Aufgabe, Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen bereit zu stellen. Soziale Befriedung muss durch Konfliktmanagement innerhalb der Wohnanlagen erreicht werden. Mit dezentralem Kauf von Wohnungen und der Anmietung von Objekten soll der Häufung von Problemfällen auf engem Raum entgegen gewirkt werden.

 

Wir sind froh, dass es gelungen ist, die Beratungsstelle Frau und Beruf zu erhalten - wenn auch mit Einschränkungen. Die Agentur für Arbeit wäre für diese Frauen kein Ersatz, da sie i.d. Regel keinen Anspruch auf städt. Leistungen haben. Es wäre aber auch wirtschaftlich nicht vertretbar, gut ausgebildete Frauen nicht wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

 

Überhaupt Hartz IV: die Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass die Kommunen die Ersparnisse aus der Wohngeldumstellung in voller Höhe erhalten um damit den Ausbau der Kinderbetreuung für unter 3-jährige finanzieren zu können. Das Land gibt das Geld aber nicht an die Kommunen weiter sondern kassiert das lieber zur Sanierung des eigenen HH. Dazu haben wir eine Resolution an die Landesregierung verfasst, die wir hier in der Debatte einbringen weil's um unser Geld geht.

 

Bildung und Betreuung bilden den Schwerpunkt im diesjährigen HH. Dazu geb ich jetzt weiter an meine Kollegin Elfriede Steinwand.

 

2. Teil Bildung und Betreuung von Elfriede Steinwand

Investitionen in Betreuung und Bildung haben zu Recht einen deutlichen Schwerpunkt in diesem Haushalt. Der Ausbau von Betreuung und Bildung hat Priorität in einer zukunftsfähigen Politik und in unserem Stadtentwicklungskonzept.

 

PISA-Studien führen es uns immer wieder drastisch vor Augen: Das deutsche Erziehungs-, Schul- und Bildungswesen ist in massiver Schieflage. Antiquiert und völlig unzureichend kann es den gegebenen Anforderungen nicht genügen.

 

Über die historischen Ursachen zu streiten, ist müßig. Die Situation ist da. Es ist kein bloßes Migrantenproblem. Nein, viele der hier bei uns aufgewachsenen deutschen Kinder und Jugendlichen weisen im internationalen Vergleich massive Defizite auf, Defizite in fachlicher Hinsicht, aber auch Defizite in ihrer sozialen Kompetenz. Und es ist kein Problem, das nur die Betroffenen, die am Ende unzureichend Qualifizierten, angeht. Es geht um uns, um unsere ganz persönliche Zukunft. Allein "Humankapital" ist Grundlage unseres Wohlstands in Deutschland. Wir leben vom Können der Menschen hierzulande, von deren Kenntnissen, Lernfähigkeit und Kreativität zum einen und von deren Disziplin, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit - deren sozialer Kompetenz eben - zum anderen.

 

Öffentliche Mittel für Erziehung, Schule, Bildung sind kein Luxus, sondern Investitionen - nicht nur bei Bauvorhaben. Nein: Es geht um unersetzliche Investitionen in die Zukunft unseres Landes - in unsere Zukunft. Wer später etwa sein Alterseinkommen genießen will, sei es aus Rentenkassen, aus Steuermitteln oder auch aus Kapital- und Anlagevermögen - volkswirtschaftlich ist da kein großer Unterschied, das wird häufig verkannt -, wer also seinen Ruhestand genießen will, der muss heute dazu beitragen, dass morgen ausreichend qualifizierte Menschen in die Arbeitswelt eintreten, die in der Lage sind, das nötige Bruttosozialprodukt im internationalen Wettbewerb bei uns auch zu erwirtschaften. Und da können wir uns Erziehungs- und Ausbildungsdefizite auf keiner Ebene - vom Kleinkind bis zum Hochschulabschluss - schlicht nicht mehr leisten. Und schon gar nicht können wir es uns leisten, dass 10 bis 20 % eines Jahrgangs sogar ohne Hauptschulabschluss entlassen werden - nicht in die Arbeitswelt, sondern in die Arbeitslosigkeit. Und eine Generation solcher Jugendlicher ist schon so gut wie verloren.

Schlagworte wie "Erziehungsauftrag der Familie", die "Erziehungskraft der Familie muss gestärkt werden" helfen nicht weiter. Die Verhältnisse sind halt so nicht mehr, sie kommen in absehbarer Zeit nicht wieder und können auch nicht herbeigeredet werden. Die klassische bürgerliche Familie, sei es ein Arbeiter- oder Mittelstandshaushalt, in der die Kinder geborgen aufwachsen und schulisch begleitet werden bis hin zur Nachhilfe und Hausaufgabenkontrolle gibt es nur noch in einer Minderheit. Vielen Eltern - oft allein erziehend - fehlt die Möglichkeit, fehlt die Zeit. Sicher fehlt es auch manchmal am Wollen, zunehmend mangelt es aber am Können.

 

Diese Defizite müssen - soweit möglich - kompensiert werden. Nicht nur der Bildung wegen, auch um die demografische Situation in Deutschland wieder zu verbessern.

 

1. Wir brauchen die Entwicklung vom fakultativen Kindergarten zur Vorschule für alle mit entsprechend qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Fachhochschulabschluss). Dies ist internationaler Standard in vergleichbaren Ländern mit denen wir in Konkurrenz liegen. Unsere Kindergärten waren vorbildlich vor 100 Jahren. Aber da sind wir z. T. stehen geblieben. Unsere ErzieherInnen erbringen engagierte, hervorragende Arbeit unter den gegebenen Bedingungen. Dies sei hier mit hoher Anerkennung betont. Sie haben aber aus heutiger Sicht unzureichende Rahmenbedingungen, Vorgaben und Qualifikationen.

 

2. ist die Umgestaltung aller Schulen zu Ganztagsschulen zwingend. Nicht nur Ganztagsbetreuung, das ist etwas völlig anderes. In der Ganztagsschule werden klassischer Unterricht, zusätzliche sportliche, musische und sonstige Aktivitäten, Hausaufgabenbetreuung usw. sinnvoll auf den ganzen Tag verteilt - für alle Schülerinnen und Schüler dann natürlich. Die Ganztagsbetreuung, zumal die fakultative kann nur ein ganz bescheidener Anfang sein. Denn diese erreicht häufig gerade diejenigen nicht, die es am nötigsten hätten.

 

3. Die 3. Notwendigkeit ist Abkehr von unserem gegliederten Schulsystem mit zu früher Selektion. Der internationale Vergleich zeigt: Nur die Einheitsschule hat Zukunft. Dort werden die Kinder keineswegs über einen Kamm geschoren, im Gegenteil: Schüler werden dort ihren speziellen Fähigkeiten entsprechend bereichsspezifisch wesentlich individueller gefördert. Wer schlecht in Deutsch ist, kann gut sein im Rechnen. Und: die Starken helfen den Schwachen.

Wer hat das zu leisten? Wir alle! Natürlich nicht die Stadt Ludwigsburg allein. Aber: Die Aufsplitterung der Zuständigkeiten im vom Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung geprägten Deutschland darf nicht dazu führen, dass jede Ebene der anderen die Verantwortung zuschiebt und dies als Ausrede für eigene Untätigkeit verwendet.

 

Die Stadt Ludwigsburg hat über das ihr gesetzlich zwingend Aufgegebene (Vorschulbereich und Mindestausstattung der Schulen mit sächlichen Mitteln) hinaus die unausweichliche - wenn wir in der Welt bestehen wollen - Entwicklung vorzubereiten, voranzutreiben und zu begleiten.

 

Im Vorschulbereich wird die Stadt selbst Konzeptionen entwickeln und die sich hieraus ergebenden baulichen und personellen Veränderungen herbeiführen müssen. Für den schulischen Bereich werden zusammen mit dem Land, mit den Schulen, d.h. mit den Lehrkräften und den Schülervertretungen entsprechende Überlegungen anzustellen sein, um die städtischen Planungen auf die anstehenden umwälzenden Veränderungen einzurichten und falsche Weichenstellungen zu vermeiden (Stichwort: Campus). Das wird in den kommenden Jahren eine, wenn nicht die Hauptaufgabe der Stadt sein. Der Fachbereich Bildung Familie und Sport, mit Herrn Fröhlich an der Spitze, mit Ihnen Herr Hesky als zuständigem Dezernenten und Ihnen Herr Spec als Oberbürgermeister, werden gefordert sein. Den Bildungsbereich fit für die Zukunft machen, das muss Chefsache sein. Aber auch der Gemeinderat muss die notwendige Innovationskraft aufbringen:

 

Wir stellen heute hierzu - als allererste - Schritte folgende Anträge:

 

- Um auf den Betreuungsbedarf vor allem für unter 3-jährige flexibel reagieren zu können sollen Eigeninitiativen von Eltern in das Betreuungskonzept integriert werden. Der Betreuungsgrad muss auf 10% ausgebaut werden, wenn die Vereinbarkeit von Kind und Beruf für Frauen nicht eine Worthülse bleiben soll.

 

- Die Verwaltung wird beauftragt, zusammen mit den Schulen, der Jugendmusikschule und der Jugendkunstschule ein Konzept zu entwickeln, die Angebote der Jugendmusik- und der Jugendkunstschule zunehmend in den schulischen Alltag - als Zusatzangebote - zu integrieren.

Dies wird Teil der Ganztagsschule werden. Außerdem haben künstlerische und musische Erziehung über den eigentlichen Unterrichtsinhalt hinaus ein hohes Maß an Bildungswert. Dies muss allen offen stehen. Damit stellt sich allerdings dann zu gegebener Zeit auch die Frage der Höhe der Elternbeiträge. Schule und Vorschule müssen im Grundsatz kostenfrei sein. Dies fordert allein schon der unerlässliche Familienlastenausgleich. Der Antrag richtet sich an die Stadt und nicht etwa an den Verein Jugendmusikschule, da hierzu insbesondere die Schulen gewonnen werden müssen. Die Jugendmusikschule betreibt bereits ein entsprechendes Pilotprojekt in Asperg. Ähnliche Überlegungen werden dann auch zum Zusammenwirken von Vereinen und Schulen im Rahmen der in die Schulzeit integrierten Freizeitsportaktivitäten anzustellen sein.

 

Schulsozialarbeit gewinnt an Bedeutung. Aber nicht nur als Feuerwehr im Einzelfall. Ihre präventive Arbeit ist verstärkt in das Gesamtangebot einzubinden und in den Schulalltag zu integrieren.

 

Als Sofortmaßnahme haben wir die Erweiterungsbauten der Schulen für die Ganztagsbetreuung, die wir mit Hilfe der IZBB Mittel finanzieren können. Dazu gehört aber auch, dass wir eine gerade für eine Ganztagesschule wichtige Einrichtung nicht voreilig schließen.

 

- Die Verwaltung wird beauftragt zu prüfen, wie die Stadtwerke an der Finanzierung des Betriebs und der Renovierung des Stadtbads beteiligt werden können.

Schon jetzt, aber erst recht in Bezug auf den Ausbau der Schulen hin zu Ganztagsschulen wäre die Aufgabe des Stadtbads mitten im Schulviertel ein Schildbürgerstreich. Es ist das ideale Schulbad.

 

- Die Verwaltung veranstaltet mit dem Gemeinderat zwei Expertenhearings zu folgenden Punkten:

a) Zum Handlungsbedarf der Stadt auf dem Weg vom Kingergarten zur Vorschule

b) Zum Handlungsbedarf der Stadt auf dem Weg zur Ganztagsschule]

 

Mangelhafte Sprachkompetenz ist meist die Ursache für das schlechte Bildungsniveau in den Schulen. Und da fehlt es schon an Sprachkenntnissen der Eltern in Migrantenfamilien. Wie sollen da die Kinder ordentlich Deutsch lernen? Sehr wichtig sind deshalb die Sprachkurse der Volkshochschule in Deutsch. Die Zahl derjenigen, die sich nach diesen Kursen erkundigt, steigt. Die Teilnehmerzahlen gehen aber zurück. Viele können - oder wollen - sich dies nicht leisten. Das darf nicht sein. Denn - wie oben dargelegt - es handelt sich nicht um eine zweckfreie Wohltat für andere. Die Intergration, die Vermittlung von Deutschkenntnissen liegt vor allem in unserem ureigensten eigenen Interesse.

 

- Die Deutschkurse der Volkshochschule werden für in Ludwigsburg ansässige MigrantInnen (deutsche und ausländische Staatsangehörige) kostenlos angeboten. Für diese Kurse wird verstärkt geworben.

 

Wir müssen daran arbeiten, unsere Demokratie fit für die Zukunft zu machen. Zunehmende Politik- und Wahlverdrossenheit macht den Handlungsbedarf deutlich.

Wir haben im letzten Jahr den Antrag gestellt, dass sich die Stadt am Bertelsmannprojekt "Young Democracy" beteiligt. Leider ist die Stadt im letzten Jahr nicht zum Zug gekommen. Es gibt aber auch im neuen Jahr die Möglichkeit einer Beteiligung. Wenn die Stadt nicht zum Zug kommt, kann sie sich auch einkaufen.

Wir meinen, dass das einen Versuch wert wäre, weil auch demokratische Beteiligung Bestandteil nachhaltiger Politik ist.

expand_less