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Rede zum Haushalt 2017

Sehr geehrte Damen und Herren
Noch können wir uns über das Ergebnis unserer Haushaltsrechnung freuen, die Steuereinnahmen sprudeln, große Firmen zieht es nach Ludwigsburg und immer mehr Menschen wollen in unserer Stadt wohnen und arbeiten. Fast kommt man sich vor wie auf der Insel der Glückseligen, betrachtet man die politischen Veränderungen und Verwerfungen, die weltweit im Gange sind. Unsere Stadt verjüngt sich von Jahr zu Jahr und das wiederum kostet Geld, denn der Ausbau und die Sanierung von Schul- und Kita-Gebäuden schlägt ordentlich zu Buche. Handwerker aus dem ganzen Bundesgebiet freut‘s. Die Ganztagsbetreuung in den Schulen haben wir in Ludwigsburg dem Land gewissermaßen abgenommen, auch wenn die Zuschüsse für die Kindertageseinrichtungen und für Schulsozialarbeit gestiegen sind. Im Bereich Bildung und Betreuung sind wir auf einem guten Weg, was die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen betrifft. Viele Familien wählen Ludwigsburg aus diesem Grund als neuen Wohnort. Das Angebot der Sport- und Kulturvereine, der Musikschule, der Jugendkunstschule, von Museen, Theatern und soziokulturellen Einrichtungen wird aus dem städtischen Haushalt gefördert und kann dadurch das qualitativ hochwertige Angebot halten und ausbauen. Ludwigsburg wird immer attraktiver. Wir nehmen alle, die es nach Ludwigsburg zieht, mit offenen Armen auf, wohl wissend, dass die Ausgaben dadurch nicht weniger werden, dass wir in vielen Bereichen nachbessern müssen und zwar bezahlbaren Wohnraum schaffen, den Klimaschutz weiter umsetzen und die Verkehrs-probleme lösen müssen. Mit großem finanziellem Aufwand, kluger Vorgehensweise und ehrenamtlichem Engagement haben wir es geschafft, die Menschen, die vor Krieg und Armut zu uns geflüchtet sind, menschenwürdig zu behandeln und unterzubringen. Dadurch hat sich die Chance ergeben, neue Wohnformen einzuführen und die gewonnen Erkenntnisse für die Zukunft zu nutzen. Die Zeiten des unreflektierten Flächenverbrauchs sind endgültig vorbei, unsere Stadtbevölkerung wird näher zusammenrücken müssen.
Wie werden sich die Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt zukünftig fortbewegen? Viele von Ihnen hier orientieren sich noch an Familien, die zwei und mehr Autos besitzen und diese die meiste Zeit ihrer Lebensdauer im öffentlichen Raum stehen lassen. Wir Grünen orientieren uns an der Zukunft und an denjenigen, die bewusst kein Auto mehr finanzieren, z.B. an der älter werdenden Bevölkerung oder an den jungen Leuten, die den ÖPNV nutzen. Letztere verzichten immer mehr auf das eigene Auto und eine Fahrerlaubnis dafür. Wir drängen auch darauf, das Radwegenetz mit verstärkter Kraft auszubauen und den Verkehrsverbund im gesamten Stadtgebiet umzusetzen. Wir bringen unsere bereits gestellten Anträge dazu ein, was wiederum beweist, dass wir Grünen zukunftsorientiert sind und das Stadtentwicklungskonzept kein Papiertiger bleiben darf. Die Fahrradrouten brauchen wir dringend. Von unserer Quote von 10% des Radverkehrs in der intermodalen Verkehrsplanung sind wir noch weit entfernt. In Baden-Württemberg sollen bis 2025 20% erreicht werden. Wir in Ludwigsburg sollten uns Beispiele an Städten wie Münster nehmen, die jetzt schon 40% haben oder Karlsruhe, die bei gut 25% liegen. Unsere Topografie ist kein Argument dagegen. Die Fahrradstraße in der Friedrich-Ebert-Straße oder in der Alleenstraße sind vergleichsweise einfache Übungen, die rasch umgesetzt werden können. Den Etat für den Radroutenbau schieben wir ebenfalls vor uns her und können ihn nicht ausgeben. Die Pseudoaktivität in Form der Aufstellung von weiteren Fahrradbügeln deckt den Bedarf noch lange nicht. Wir regen weiter an, alsbald eine Zukunftskonferenz zum Thema ÖPNV, Rad- und Fußwege einzuberufen. In der Abschlussveranstaltung des Fußwegeschecks am Montag konnten wir aus dem Expertenmund erfahren, dass in Ludwigsburg das Auto zu stark bevorzugt wird und Menschen - körperlich eingeschränkt oder nicht - im Grunde sehen müssen wo sie bleiben, wenn sie zu Fuß oder mit dem Rollstuhl unterwegs sind. Unsere Stadtbevölkerung ist vielfältig und möchte alle Transportmöglichkeiten entsprechend ihrer Bedürfnisse nutzen. Wir wissen, dass der Bau der Stadtbahn von der Mehrheit der Bevölkerung mit großer Ungeduld erwartet wird. Beim Personennahverkehr muss kräftig aufgerüstet werden. Nur so kann der Zusammenbruch der Verkehrsinfrastruktur noch verhindert werden. Ludwigsburg erlebt den Verkehrsinfarkt fast täglich, Lärm- und Feinstaubbelastungen werden für weite Teile der Stadt unerträglich. Wer trotz allem auf das Kfz angewiesen ist, muss sich gerade deswegen für die Stärkung des ÖPNV einsetzen. Sonst kommt er – oder sie – bald überhaupt nicht mehr vorwärts. Für den Bau einer Stadtbahn brauchen wir einen Quantensprung und die Lösung kann nur heißen: Niederflurbahn! Den Verkehrsinfarkt erleben wir besonders gravierend an den Wochenenden, wenn wir die Autokolonne – sogar aus den Stadtteilen - an verkaufsoffenen Sonntagen und bei Stadtfesten in die Innenstadt locken, ohne dafür zu sorgen, dass es ein attraktives Shuttlebusangebot und/ oder das verbilligte Busticket aus der Peripherie des Stadtgebiets gibt. Wir regen an, zu überlegen, temporäre Parkgebührenerhöhung auf den Parkflächen vorzunehmen und dafür das Busticket günstiger anzubieten. So können Verkehrsströme sinnvoll gelenkt werden. Mit der SPD zusammen stellen wir den Antrag für das verbilligte Busticket, wie es Marbach bereits mit Erfolg anbietet. Die Wildparker in der Stadt sollten wir mit aller Deutlichkeit dazu auffordern, endlcih die gebühren-pflichtigen Parkhäuser zu benutzen und für deren 100%ige Auslastung zu sorgen. Dienlich ist sicher nicht, in der Zeitung unübersehbar anzukündigen, dass von Herbst bis Weihnachten keine Autos mehr aus den Halteverbotszonen abgeschleppt werden. Die Parkraumbewirtschaftung muss dringend auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt werden. Der nächste sinnvolle und notwendige Schritt auf dem Weg zu mehr Lärm- und Umweltschutz kann nur sein, die Tempo-30-Zonen flächendeckend auszuweiten. Das Angebot von Car sharing und Free Floatern muss ausgebaut und regional gedacht werden. Eine neue Aufgabe wartet dadurch auf LivingLaB und den digitalen Marktplatz von Luis. Den Ausbau des Breitbandnetzes durch die Stadtwerke im Auftrag der Daseinsvorsorge begrüßen wir ausdrücklich.
Mit der Neuordnung von Parkierung und städtebaulicher Entwicklung regen wir seit 2010 an, den Arsenalplatz als erlebbaren, stadtwirksamen undt autofreien Platz zu gestalten. Der Fachbereich Stadtplanung hat das Thema endlich aufgenommen, allerdings nicht ganz in unserem Sinne aufbereitet, denn es wird eine Tiefgarage unter dem Schillerplatz mitgeplant, von der wir überzeugt sind, dass wir sie nicht benötigen, sofern die grünen Ideen für eine weitere Verkehrsreduzierung in der Innenstadt umgesetzt werden würden. Wenn die Tiefgarage gebaut wird, ist die Wilhelmstraße für die Ausdehnung der Fußgängerzone verloren. Die barocke Innenstadt braucht dringend eine Aufwertung und das ist nur möglich, wenn der motorisierte Individualverkehr reduziert wird. Marktplatz, Lindenstraße, Marstall, Körnerstraße, Eberhardstraße, Wilhelmstraße und Seestraße wachsen zu einer Einheit zusammen, die von Bürgerinnen und Bürgern, Kundinnen und Kunden als Gewinn wahrgenommen werden wird. Die vielzitierten Erschließungsachsen aus dem Stadtentwicklungskonzept müssen in erster Linie den Fußgängerinnen und Fußgängern dienen und nicht dem belastenden und umweltschädlichen Parksuchverkehr. Die Umgestaltung des Arsenal- und Schillerplatzes im ZIEL-Planungsprozess wird uns noch lange beschäftigen, auch weil zahlreiche weitere Akteure involviert sind. Mittelfristig wollen wir die Stadtbahn über diesen Bereich führen.
In Ludwigsburg beziehen wir Bürgerinnen und Bürger in Beteiligungsprozesse ein, was tatsächlich weltweit Beachtung findet. Die Entscheidungen zur Stadtentwicklung werden dadurch nicht immer konfliktfrei und schneller gefasst. Aber - ohne Bürgerbeteiligung geht es in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehr. Inzwischen beziehen wir auch unsere jungen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Jugendgemeinderats mit ein, von dem wir uns wichtige Anregungen erhoffen.
Wir regen die Ausweitung der Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) an und können uns diese Zusammenarbeit durchaus im Rahmen der Bädernutzung und -betreibung, der Schulentwicklung und der technischen Dienste vorstellen. Warum nicht Asperg und Freiberg in diesen Verbund miteinbeziehen? Wenn wir allerdings innerhalb der Innenstadt bleiben, regen wir die effizientere Zusammenarbeit unserer technischen Dienste mit Schlösser und Gärten Baden-Württemberg im Umfeld von Schloss und Blühendem Barock an.
Wir wissen nicht genau, was uns die Zukunft bringt – wird sich unser Wohlstand verringern, da wir doch sehr stark von der Autoindustrie abhängig sind. VW muss Mitarbeiter entlassen, was uns jetzt als Neuausrichtung E-Mobilität verkauft wird, sicher aber mit den unlauteren Verkaufsmethoden der Fahrzeuge mit veralteter Technologie zu tun hat. China orientiert sich vehement in Richtung E-Mobilität und nimmt die Autos bestimmt auch den deutschen Firmen ab, so fern sie bis 2018 zuverlässig auf dem Markt sind. - Oder sind wir im Südwesten weiter Vorreiter für innovative Technologien und neue Verhaltensweisen, die die Weltgemeinschaft positiv beeinflussen….
Den Klimaschutz müssen wir ernsthaft anpacken, dazu die Landesbauordnung konsequent umsetzen, Grün erhalten und anlegen, unsere Baugebiete, wie den Fuchshof zukunftsweisend entwickeln, z.B. mit Quartiersgaragen und einem zuverlässigen und bezahlbaren ÖPNV ausstatten. Das Freiflächenentwicklungskonzept (FEK) muss jetzt darüber gelegt werden. Viele der wichtigen Instrumente für eine verträgliche Weiterentwicklung unserer Stadt existieren bereits – sie müssen nun angewendet werden. Wir Grünen gestalten im Sinne von Umweltschutz und Stadtentwicklung mit und das ist ebenfalls generationengerecht und nachhaltig allemal! Und – wir reisen mitnichten auf Kosten des Steuerzahlers in der Weltgeschichte herum. Die Flug- und Hotelkosten zur Habitat-III-Konferenz nach Quito habe ich aus eigener Tasche bezahlt. Herzlichen Dank allen städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Arbeit in einem wirklich arbeits- und ereignisreichen Jahr, besonders Herrn Kiedaisch und der Verwaltungsspitze für gute Ideen, Geduld und schwindelerregenden Drive. Zu guter Letzt ein Zitat von der Philosophin Hanna Arendt:

„Nicht der Mensch bewohnt diesen Planeten, sondern Menschen. Die Mehrzahl der Menschen ist das Gesetz der Erde.“
„Eine Welt, die Platz für die Öffentlichkeit haben soll, kann nicht für eine Generation errichtet oder nur für die Lebenden geplant sein; sie muss die Lebensspanne sterblicher Menschen übersteigen.“

„Alles Denken ist Nachdenken, der Sache nachdenken.“ „Es ist ein Fluch, in interessanten Zeiten zu leben.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gilt das gesprochene Wort!

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