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Rede zum Haushalt 2018

Ferdinand Dudenhöfer : Alles soll so bleiben wie es ist….

Was die Füllung des Stadtsäckels anbetrifft allemal!


Die Einnahmenseite zeigt sich auf der kommunalen Ebene – jedenfalls bei der Stadt Ludwigsburg – wie auch auf Landes- und Bundesebene – derzeit noch sehr positiv. Das erlaubt es uns, den Sanierungsstau in Schulen, von Straßen und anderen öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. dem Kulturzentrum und dem Rathaus, abzubauen.
Dringend nötige Investitionen in Kitas, Schulen, Sportstätten, Sanierungsflächen und in die längst überfälligen Radwege, können noch getätigt werden, auch wenn sich die Baupreise ins Uferlose entwickelt haben. Für die Kommunen stellt das Land übrigens für 2018/ 2019 422 Mio. Euro für die Sanierung von Schulbauten und Straßen zur Verfügung. Ganz besonders dringend sind zurzeit die notwendigen Wohnungen für die in die Anschlußunterbringung zugewiesenen Flüchtlinge. Hier müssen wir rasch - unter Einbindung der Bürgerinnen und Bürger – nach den verträglichsten Lösungen für alle sorgen. Das Land stellt 250 Mio. Euro für die Wohnraumförderung bereit.
Bezahlbarer Wohnraum ist ein weiteres drängendes Problem in Ludwigsburg, Darauf komme ich später noch zu sprechen.
Mit der quasi Vollbeschäftigung im Südwesten haben wir eine gesunde Stadtgesellschaft, mit enormem Potential in Bürgerbeteiligung, Vereinsleben und Initiativen. Und die Bereitstellung von umfangreichen Kulturangeboten, sowie von einem umfangreichen Bildungs- und Betreuungsangebot ist tatsächlich selbstverständlich geworden und zeichnet eine aufstrebende, stetig wachsende Stadt inmitten einer Metropolregion aus. Ludwigsburg ist nun mal nicht Hintertupfingen, sondern eine Stadt mit Geschichte, Profil und bisher noch ungelösten, gravierenden Mobilitätsproblemen. Von Schadstoffen und Lärmbelästigung sind wir mehr denn je betroffen. Vier Anträge reichen wir zu diesem Thema ein. Von dem Prinzip „push and pull“ versprechen wir uns die ein oder andere , einfach umzusetzende Lösung unserer Verkehrsprobleme in der Stadt.


Nächstes Jahr werden die „Ludwigsbürger“ zu ausgelassenen Partypeople und feiern diverse Jubiläen, wie die Stadtgründung und viele weitere Geburtstage von Einrichtungen, Firmen und Kulturstätten, die uns lieb und teuer sind und die zur Stadt gehören wie der Kathreinergeruch zur Inversionswetterlage. Auch feiern kostet Geld, das wir gerne ausgeben, denn wir zeigen uns von unserer besten, großherzigen und großzügigen Seite. Da wäre es mal wieder an der Zeit, den Vorschlag der Grünen aufzugreifen, einen Shuttlebusdienst bei größeren Veranstaltungen einzusetzen, anstatt die Blechlawine in die Stadtmitte zu lotsen. Ich bin sicher, die auswärtigen Besucherinnen und Besucher werden es uns danken, wenn sie schnell und bequem mit dem kostenlosen Fahrdienst zum Ort des Geschehens kommen, dieses Angebot als Service erster Güte betrachten und sehr gerne annehmen, wenn es vorher entsprechend beworben wurde. In größeren Städten werden von der Firma mit dem Stern bereits Sammeltaxis zur Verfügung gestellt. Könnten wir das nicht ab nächstem Jahr versuchsweise anbieten? Im Übrigen, das begrünte Parkhaus auf der Bärenwiese ist keine gute Lösung. Warum immer mehr Autos in die Innenstadt ziehen, wenn diese Innenstadt für Menschen zu Fuß, zu Rad, im Rolli, mit dem Rollator und dem Longboard zu erobern viel lebenswerter wäre, zudem CO2-neutral. Wir Grünen kämpfen für den autofreien Arsenalplatz und freuen uns auf den Tag, an dem alle diesen neu gestalteten Platz als gelungene Errungenschaft bewundern werden. Eine eigene Tiefgarage unter dem Schillerplatz ist entbehrlich – die geringen Auslastungszahlen der vorhandenen Parkhäuser sprechen für sich. Wichtig ist, dass Arsenalplatz und Schillerplatz für die zukünftige ÖPNV-Nutzung gut geplant werden. Hier entsteht das Herz der Stadt neu: Platzgestaltung und die Einbeziehung des Staatsarchivs in neuer Strukturierung werden Ludwigsburg endlich nach vorne, in eine neue Zeit katapultieren. An der Planung der autofreien Wilhelmstraße halten wir fest. Eine Zu- oder Abfahrt für eine Tiefgarage zerstört diesen, bisher schon - städtebaulich falsch entwickelten Bereich – vollends. In diesem Zusammenhang werden wir uns die gesamte barrierefreie Bewegungsfläche vornehmen und endlich
Fußgängerinnen-gerechte Stadträume gestalten müssen, auch im Hinblick auf die älter werdende Gesellschaft.


Alles soll so bleiben wie es ist…. Auf gar keinen Fall! Manches verändert sich, ohne dass die Konsequenzen bereits ganz klar sind. Siehe Einkaufsverhalten der Internetgeneration: nicht alle Einzelhändler werden sich erfolgreich in der Stadt halten können. Klug sind diejenigen, die nicht allein auf Parkplätze setzen, sondern ihren Service ausbauen, sich z.B. mit anderen zusammen tun, einen Bringservice anbieten und Fußgänger*innen und Radfahrer*innen nicht als Kundschaft zweiter Klasse ansehen. Leerstände von Ladengeschäften sind jetzt schon sichtbar und werden – vorerst noch – von der Wirtschaftsförderung und der Bevölkerung entspannt beobachtet bis ignoriert. Die hohen Mieten tun das ihrige …. Leerstände können aber eine (Innen-)Stadt ruinieren.
Womit wir bei einem weiteren wichtigen Thema wären: Bezahlbare Mietpreise und bezahlbares Wohneigentum. Trotz einer steigenden Arbeitsbevölkerung auf über 50000 Menschen, können sich nicht alle in Lohn-und Arbeit stehenden Menschen die überhöhten Mieten und erhitzten Baupreise leisten. Bezahlbarer Wohnraum gehört unter die Rubrik
Daseinsvorsorge und ist somit eine öffentliche Aufgabe. Dass das unsere Wohnungsbaugesellschaft kann, hat sie bereits mehrfach bewiesen, zuletzt mit den Holzsystembauten für Geflüchtete. Der freie Markt, sprich die Bauträger, leisten das nicht in dem Maße wie es notwendig wäre. Hier gilt – zulässigerweise – das Prinzip der Gewinnmaximierung, wohltätig garniert mit Benefizveranstaltungen etwa für Kinder. Die „schwäbische Hausfrau“ hat ihr unlukratives Sparbüchle zugunsten von Investitionen in den teuren Wohnungsbau zur Seite gelegt und zahlt jeden Quadratmeterpreis, was wiederum für eine Blase auf dem Wohnungsmarkt sorgt. Nicht die tüchtige und innovative WBL ist ein Problem für Bauträger, sondern der starke Konkurrenzkampf von gut 50 Bauträgern und Immobilienunternehmern - allein in unserer Stadt – untereinander.
Für die neuen Baugebiete empfehlen wir deshalb, mehr auf Qualität der Ausführung und alternative Wohn- und Eigentumsformen zu achten. Die Errichtung von Cubes in den Neubaugebieten darf ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Nicht die hohe Zahl der Stellplätze in den Baugebieten Schauinsland und Fuchshof ist das Kriterium der Zukunft, sondern die Anbindung an einen gut funktionierenden, preiswerten (subventionierten) ÖPNV, sichere Radwegeverbindungen, funktionale Wohnungen – vorzugsweise im Geschosswohnungsbau – und lebenswertes grünes Umfeld mit hohem Aufenthaltscharakter. Für das Baugebiet Fuchshof schlagen wir vor, die ehemalige Nutzung – die Gärtnereien – als gestalterisches Erkennungsmerkmal („Gartenstadt Fuchshof“) symbolisch oder mit ausgewiesenen Flächen für Urban Gardening einzuarbeiten.
Außerdem empfehlen wir, weiterhin Baugruppen zu bevorzugen und zu unterstützen, sowie Familien/ Wohngruppen, die bereit sind, ein „Mietshäuser-Sydikat“ zu gründen. (Antrag)
Dass wir der Dachbegrünung in den neuen Wohngebieten den Vorzug geben, versteht sich von selbst. Dass Häuser im Neubaugebiet romantisierend mit Satteldächern geplant werden, weil man ein Dorf nachbauen will, lehnen wir ab. Der bestmögliche Energiestandard, sowie Dach- und Fassadenbegrünung sind das Gebot der Stunde, um dem Klimawandel zu begegnen. Und somit tragen die Kommunen einen wichtigen Teil, wenn nicht gar den wichtigsten dazu bei, dass wir mit dem Klimaziel nicht noch weiter baden gehen. Hinsichtlich des Klimaschutzes stehen wir in Deutschland derzeit nicht gut da. Wir sind im Ranking im Vergleich mit anderen Ländern erheblich zurück gefallen. Auf dem Klimagipfel in Bonn stand Deutschland in der Schmuddelecke, - so formulierte dies ein Kommentator im Deutschlandfunk. Die Kanzlerin verweigert gar den Betritt in die Kohleausstiegsallianz mit einer ziemlich fadenscheinigen Ausrede, die keineswegs durch den gecancelten Ausflug nach Jamaika gerechtfertigt ist. Das CO2-Ziel für 2020 wird voraussichtlich nicht mehr erreichbar sein. Aus Brüssel droht eine Klage gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg wegen mangelnder Anstrengungen. Aufgrund der zu hohen Schadstoffbelastungen drohen Fahrverbote, erzwungen durch Verbandsklagen.
Ludwigsburg tut zwar einiges auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien – der Solar-Heat-Grid der SWLB ist unser aktuelles, hoch gefördertes Paradebeispiel. Die neuen Baugebiete werden jeweils an die Fernwärme angeschlossen und für die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude geben wir viel Geld aus. Hausbesitzer werden in Untersuchungsgebieten auf ihre Möglichkeiten hingewiesen und von der LEA unterstützt. Der Klimawandel ist in vielen Regionen der Welt bereits unübersehbar und überaus desaströs angekommen: Landstriche trocknen aus oder werden durch Starkregenvorkommen zerstört. In Kalifornien gibt es bereits Menschen, die in ihren Häusern kein
Wasser mehr haben und zu einer kommunalen Einrichtung kommen müssen, um Trinkwasser zu holen.
Beim Thema Verkehr haben wir unsere Hausaufgaben bei weitem nicht erledigt. Und wiederum sind es die Kommunen, die sehr viel gegen den Anstieg der Klimazerstörung tun können. Wir müssen den Radwegebau verstärken, mit der Verbesserung des ÖPNVs – besser gestern als heute - in die Gänge kommen, den Modal Split stärken und Fußgängerverbindungen prioritär gestalten.
Die Radwegeplanung ist eine Angebotsplanung. Geschätzt die halbe Ludwigsburger Bevölkerung wartet bereits sehnsüchtig auf das lückenlose, sichere Radwegenetz in der Stadt, in die Stadtteile und überregional als Radschnellstraße nutzbar. Dazu bringen wir einen Antrag ein.
Es wird nichts nützen, dass die Autolobbyisten in der Stadt die derzeitig geplanten Radwege schlecht reden und den angeblich verlorenen und missgenutzten Fahrspuren nachweinen. Gut genutzte Radwege kommen denjenigen Autofahrern zugute, die auf ihr Fahrzeug nicht verzichten können. Einen ausreichend dimensionierten Radweg haben wir inzwischen in der Alleenstraße. Dieser muss ebenso großzügig in die Friedrich-Ebert-Straße weiter geführt werden. Auf dem Berliner Platz darf wegen der geplanten Baumaßnahmen keine Barriere für den Radweg entstehen.
Zur Illustration des veränderten Mobilitätsverhaltens der Bevölkerung möge man sich nur einmal zu einer beliebigen Tageszeit am Bahnhof umsehen, dann erkennt man, dass die Mobilität mit Rad und Stadtbahn/ Bus/ BRT unsere Zukunft ist. In das eigene Auto wird in absehbarer Zeit sehr viel weniger investiert werden, das Teilen von kostspieligen Konsumgütern, auch des Autos, wird salon und zukunftsfähig. In den Neubaugebieten sollten wir mehr Stellfächen für Carsharing und die klimagerechten Fahrzeuge (E-Bike-Stationen, z.B. für Lastenfahrräder) selbst anbieten. Antrag
Der öffentliche Personennahverkehr muss zur wichtigsten Säule des Nahverkehrs werden. Das bedarf noch großer Anstrengungen, vor allem finanzieller Art. Welch eine gewiefte Wahlkämpferin war die Kanzlerin: mit einer Milliarde Euro hat sie im September den Kommunen mit dem Mobilitätsfonds einen Motivationsschub verpasst, den vor allem die Kommunen im Südwesten sofort angenommen haben, sind doch viele bereits auf dem Sprung in ein neues Zeitalter der umweltverträglichen Mobilität. Der größte Teil des Wahlkampfgeschenks ist in Windeseile in Ba-Wü zur Verwendung angemeldet worden. Richtig so! Der arbeitssame grüne Verkehrsminister weiß, wo der Zug hinfährt. Und wir fahren – hoffentlich bald - mit! Auch Ludwigsburg hat seine Vorhaben bereits angemeldet. Der ÖPNV könnte allerdings jetzt schon besser werden, nämlich mit der Ausweisung von Busspuren und der flächendeckenden, automatischen Eingriffsmöglichkeit der Busse ins Signalsystem. Es bedarf lediglich zusätzlicher Sensoren in den Straßen, damit der Rechner den Bus erkennt – Living Lab macht‘s möglich! Wenn schon die Parkplatzsuche mit den Sensoren nicht klappt – in Reutlingen wird es allerdings mit derselben Firma umgesetzt – dann schleunigst die Busse in die Bevorrechtigung. Auch das hat Reutlingen vor Jahren bereits umgesetzt. Mit diesen notwendigen, zukunftsweisenden Maßnahmen geht unser komfortables Geldpolster hin. Vor allem braucht es für den Klimaschutz und die Themen der zukünftigen Mobilitätsentwicklung

 

Personal, Personal und nochmals Personal. Städtebau, Verkehrsplanung, Radwegebau, dringliche Kontrollfunktionen, evtl. eine Landesgartenschau müssen klug geplant und gut betreut werden. Abgesehen von unserer jungen Bevölkerung, für die wir bereits einen guten Betreuungsstandard geschaffen haben. Für Familien haben wir einen weiteren Antrag zur Ludwigsburg Card formuliert.


Noch arbeiten hauptsächlich Menschen für Menschen - und wenige Terminals - kümmern sich um die Belange, Wünsche und Bedürfnisse einer vielschichtigen und zu Recht fordernden Stadtbevölkerung. Mit der Digitalisierung von fast allen Lebensbereichen hat uns die Zukunft bereits eingeholt. Wir können uns auf unsere Stadtwerke, die sich um den Breitbandausbau kümmern, verlassen. Eine Stadtverwaltung muss zudem eine lückenlose Datensicherheit gewährleisten.


Nicht nur unsere Bürgerinnen und Bürger sind uns wichtig, wir kümmern uns auch um Menschen auf anderen Kontinenten, mit den Förderprogrammen von Engagement Global. Die Kommunen in Burkina Faso und Ambato/ Ecuador unterstützen wir mit von unserer Stadtbevölkerung gespendetem Geld oder Know how unserer Experten. Für weitere Wissensgewinne regen wir ein Stadtstipendium für einen jungen Menschen an. Das kann im kreativen Bereich (Film, Medien) oder als Forschungsstipendium angeboten werden.


Wir Grünen haben in den vergangenen Jahren immer wieder antizyklisches Verhalten angemahnt. Es war bisher nicht zu schaffen, die Investitionen schlagen enorm zu Buche, der Bedarf nach Wohnungen, das Bedürfnis nach Kultur, Stadtgestaltung und qualifizierter Kinderbetreuung sind drängend. Und nun auch noch die Bedrängnisse durch den Klimawandel, den wir nicht länger mehr ignorieren können. Es empfiehlt sich, die Finanzplanung über 2021 hinweg zu strecken und sich für das ein oder andere Projekt in Geduld zu üben. Die „fetten Jahre“ werden zu Ende gehen, Experten geben ihnen noch 2 bis 3 Jahre, dann werden wir über Rücklagen froh sein und könnten – endlich antizyklisch - unsere Stadt trotzdem weiter entwickeln und die Umweltprobleme lösen.


Nichts wird so bleiben wie es ist. Es stellt sich die Frage, wie wir mit den Herausforderungen der Zukunft umgehen und in diesem Zusammenhang unsere Chancen nutzen werden.


Herzlichen Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Stadtkämmerei, insbesondere Herrn Kiedaisch, dem „zuversichtlichen Kaufmann“ - seiner Aufforderung, keine Anträge zu stellen, da in seinem HHEntwurf an alles gedacht sei, konnten wir nicht nachkommen.
An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung richten wir den Appell: Passen Sie auf sich auf, achten Sie auf Ihre Gesundheit – Sie arbeiten schon wieder mit der hohen Schlagzahl.

 

Es gilt das gesprochene Wort.                                                Elfriede Steinwand-Hebenstreit

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