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Rede zum Haushaltsplan 2008

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir alle konnten die Entwicklung des Stadtentwicklungskonzeptes begleiten. Wir alle begrüßen es als Instrument zur Steuerung der langfristigen Entwicklung unserer Stadt. Die Bedeutung des Stadtentwicklungskonzeptes als Grundlage für die Steuerung der Haushaltsplanung haben Sie, Herr Oberbürgermeister in Ihrer Haushaltsrede hervorgehoben. Während meines Studiums hatte ich mit großem Interesse die Aufstellung des „Stadtentwicklungsplans 2010“ in Heidelberg verfolgt, der im Jahr 1997 beschlossen wurde. Anlass war damals die Agenda 21 und der Kyoto-Prozess. Inzwischen gibt es einen ersten Umsetzungsbericht. Die Erfahrungen zeigen, dass sich eine langfristige Strategie, in die sich aktuelle Entwicklungen einfügen können, für die Stadtentwicklung bewährt hat. Dabei die Bürgerinnen und Bürger direkt zu beteiligen oder – wie hier in Ludwigsburg geschehen – Multiplikatoren einzubinden, steigert die allgemeine Akzeptanz bei der Umsetzung. Die grüne Gemeinderatsfraktion nimmt das Stadtentwicklungskonzept als Strategie für die weitere Entwicklung ernst. Uns ist eine ausgewogene Umsetzung in allen Bereichen wichtig und gerade unter diesem Gesichtspunkt wollen wir den Haushalts­plan betrachten. Die Arbeit zu den Stadtteilentwicklungsplänen läuft gerade und bringt sicher noch viele konkrete Ideen. Bei dieser Gelegenheit bitte ich die Stadtverwaltung, auch Zielkonflikte zu thematisieren. Beispiele für solche Zielkonflikte, bei denen ein Ziel in der Regel nur auf Kosten des anderen erreicht werden kann, sind: „Aus- und Umbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten“ gegen „Haushaltskonsolidierung“ oder „durchgängiges Grün für höhere Aufenthaltsqualität“ gegen „Mobilität der Bürgerinnen und Bürger sicherstellen“. Wir sollten diese Zielkonflikte aktiv aufarbeiten.

Ludwigsburg ist als Wohnstandort von hohen Mieten und knappen Bauflächen geprägt. Wir wollen Entwicklungsmöglichkeiten im Bestand stärker als bisher nutzen, bevor der demographische Wandel auch bei uns einsetzt. Einigen Wohnvierteln steht ein Generationenwechsel bevor. Damit sich Familien Ludwigsburg als Wohnstandort auf Dauer leisten können, wollen wir sie gerade bei ihrer Entscheidung für das Wohnen im Bestand unterstützen. Deshalb stellen wir den Antrag, das Baukindergeld anzupassen und gleichzeitig eine Einkommensgrenze einzuführen, damit diejenigen gefördert werden, die darauf auch wirklich angewiesen sind. Schließlich weist Herr Kiedaisch, unser Kämmerer, uns immer wieder darauf hin, dass es gerade die Familien mit einem Jahreseinkommen zwischen 30.000 und 60.000 € zu halten gilt. Die Wohnungsbau Ludwigsburg fordern wir auf, sich zu engagieren und im Baugebiet Hartenecker Höhe folgendes Musterprojekt zu realisieren: „familienfreundliches und energetisch vorbildliches Wohnen unter einem Dach“.

Das urgrüne Thema der Energieeffizienz haben Sie, Herr Oberbürgermeister, aufgegriffen. Nachdem die Ludwigsburger Energieagentur gegründet ist, soll nun ein „Kompetenzzentrum für Energieeffizienz“ folgen – am besten mit finanzieller Förderung der Europäischen Union. Wir unterstützen diesen Vorstoß. Unsere Anstrengungen können gar nicht weit genug gehen. Handlungsansätze gibt es genug. Gerade die Strukturen im Bestand müssen angepasst werden. Die Stadt soll dabei Vorbild sein. Inzwischen beziehen wir
30 % Ökostrom. Wir wollen den Anteil kontinuierlich erhöhen, auch dann, wenn es nicht bequem ist, um klimaneutral Daseinsfürsorge zu betreiben und haben hierzu einen Antrag gestellt. Warum soll der Anteil in absehbarer Zeit nicht bei 100 % liegen, wie bei privaten Beziehern von Ökostrom? – In die gleiche Richtung zielt unser Antrag, Belastungen für das Klima auszugleichen, die durch Dienstreisen städtischer Mitarbeiter entstehen, so wie es auch das Land inzwischen tut. Die Stadt Ludwigsburg hat sich als Mitglied des Klimabündnisses hohen Zielen verpflichtet. Wir wollen, dass jährlich über die Fortschritte beim städtischen Klimaschutz mit vergleichbaren Daten informiert wird. Dabei stellt sich aber die Frage, ob Effizienz alleine ausreicht. Meines Erachtens muss Suffizienz hinzukommen. Das heißt: Was ist wichtig für ein lebenswertes Ludwigsburg, wo schießen wir über das Ziel hinaus und betreiben Luxus? Wofür wollen wir unsere begrenzten Ressourcen einsetzen? Können wir uns ständig zusätzliche Infrastruktur dauerhaft leisten? - Wir wollen Klimaschutz ernst nehmen und in die vorhandene Infrastruktur investieren. Denn ein weiterer Ausbau von Infrastruktur bedeutet steigenden Energiebedarf.

Das kulturelle Angebot in Ludwigsburg bewegt sich auf sehr hohem Niveau. Wir begrüßen es, dass unser Antrag zu einem Skulturenpfad aufgegriffen wurde und Mittel hierfür zur Verfügung stehen. Clußgarten, Bürgertheater und das Forum bereichern das kulturelle Leben. Wir sind überzeugt, dass die Verantwortlichen bei entsprechender Förderung das Potenzial noch stärker entfalten können. Was die aktuellen Entwicklungen beim SCALA angeht, so dürfen wir uns zwar nicht erpressen lassen, wir wollen das SCALA in seiner jetzigen Form aber erhalten.

Bei der kommunalen Pflichtaufgabe „Bildung und Betreuung“ befinden wir uns vor einem Umbruch. Die Qualitätsoffensive in den Kindergärten zeigt erste Erfolge. Sie ist ein wichtiger Ansatzpunkt, damit die Integration unserer Nachbarinnen und Nachbarn mit Migrationshintergrund gelingt. Wir stehen dazu, das dritte Kindergartenjahr gebührenfrei zu stellen, sofern Kinder den Kindergarten durchgängig besucht haben und stellen hierzu erneut einen Antrag. Ziel ist es, durch den kontinuierlichen Besuch dafür zu sorgen, dass alle Kinder beim Schuleintritt über ein ausreichendes Sprachfundament verfügen. Andere, auch kleinere Städte machen es uns vor. Wir würden uns freuen, wenn sich auch Unternehmen stärker engagieren würden, um Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine bedarfsorientierte Kinderbetreuung zu ermöglichen. Damit Kinder und Familien sich in unserer Stadt gut aufgehoben fühlen, beantragen wir ein Informationsangebot unter dem Motto „Wie schön, dass Du geboren bist“, das direkt nach der Geburt aktiv an Eltern herangetragen wird. Es soll umfassende Informationen über alle Angebote und Einrichtungen für Kinder und Eltern enthalten. – Die hohen Investitionen im Bildungsbereich sind notwendig, nicht zuletzt, weil in der Vergangenheit Maßnahmen geschoben wurden und Nachholbedarf besteht. Rückläufige Kinderzahlen sehen wir als Chance, mehr Qualität zu erreichen. Wir dürfen nicht zuerst an Einsparungen denken, da eine gut ausgebildete Jugend die Zukunft unseres Landes bedeutet. Derzeit wird der Schulentwicklungsplan diskutiert. Wir sind dabei angewiesen auf neue Rahmenbedingungen, die von der zuständigen Landespolitik gesetzt werden müssen. Couragierte Hauptschulleiter weisen auf die Mängel des Schulsystems in Baden-Württemberg hin. Aus unserer Sicht sollten auch kleine Einheiten erhalten bleiben, um höhere Qualitätsstandards zu ermöglichen. Kurze Schulwege, quasifamiliäre Strukturen, wo sich Familienbande zunehmend löst – so stellen wir uns die zukünftige Entwicklung vor, damit die Schule „ein attraktiver Lebensort“ wird, wie im Stadtentwicklungskonzept gefordert. Damit Ganztagesangebote nicht diskriminierend sind, stellen wir den Antrag, die Finanzierung der Mahlzeiten nach dem „Freiburger Modell“ vorzunehmen, d.h. dass bedürftige Kinder besonders unterstützt werden, um ihre Teilnahme sicherzustellen.

Die Ludwigsburger Innenstadt wird zunehmend attraktiver. Die WILHELMGalerie hat eröffnet, erste Sanierungen im Umfeld sind erfolgt, der Bau der Akademie für Darstellende Kunst ist beschlossen und wurde umgehend in Angriff genommen – es bewegt sich was in Ludwigsburg. Aus unserer Sicht hat die Sanierung und der Umbau im Bestand Vorrang vor der Erschließung neuer Flächen im Außenbereich. Daher bitten wir die Stadtverwaltung – wie in zwei Anträgen, die bereits im Oktober gestellt wurden, gefordert – eine Rahmenplanung für die Innenstadt zu erarbeiten und umzusetzen. Der Schillerplatz sollte möglichst rasch für die Bürgerinnen und Bürger saniert werden unabhängig von Umbauplänen der Kreissparkasse. Eine Überbauung des Schillerplatzes kommt für uns nicht in Frage. Die Lindenstraße hätten wir gerne gemeinsam mit dem Kaffeeberg saniert. Nun stellen wir den Antrag, die Sanierung zumindest auf das Jahr 2009 vorzuziehen.

Parallel zum „Stadtentwicklungsplan 2010“ hat die Stadt Heidelberg ein Freiflächenkonzept entwickelt. Auch Ludwigsburg braucht endlich einen allgemein verbindlichen Grünleitplan. Bereits zum letzten Haushalt hatten wir beantragt, einen Jubiläumswald zu schaffen. Wir fragen heute noch einmal an, wo sich die Stadtverwaltung ein derartiges Projekt vorstellen kann. Unsere Fraktion würde dort dann gerne einen ersten Baum spenden.

Bei unserem gemeinsam Weg zu „umwelt- und sozialverträglicher Mobilität“ – wie im Stadtentwicklungskonzept gefordert – bleibt hoher Handlungsbedarf. Wir sehen diesen bei der Förderung derjenigen Verkehrsmittel, die zu einer Entlastung auf der Straße führen. Denn die rückwärtsgewandte Ideologie, dass jeder und alle zwischen zwei Punkten auf einer Geraden fahren können sollen, würde in aller Konsequenz bedeuten, dass wir auch eine Straßenverbindung von Hoheneck durch den Favoritepark nach Eglosheim bräuchten. Ich fordere die Vertreterinnen und Vertreter von CDU, FWV und SPD auf, bei den Überlegungen zum Ausbau einer „Strombergstraße“ noch einmal innezuhalten, und danke Ihnen, Herr Oberbürgermeister, dass sie bei dem Thema vermitteln wollen. Klimaschutz und steigende Energiekosten erfordern Alternativen zum Straßenverkehr, damit auch in Zukunft Mobilität für alle gewährleistet werden kann. Eine Stadtbahn in Ludwigsburg ist für uns keine Utopie. Die Strecke von Markgröningen bis nach Oßweil eignet sich geradezu hierfür, weil sich Wohnstandorte aneinander reihen. Unsere Nachbarn in Frankreich zeigen uns, wie es geht. In nahezu jeder größeren Stadt sind in den letzten Jahren Straßenbahnen geplant und gebaut worden. Stuttgart wäre ohne seine Stadtbahn nicht mehr denkbar. – Wir stellen außerdem den Antrag, den Fahrradwegeetat weiter aufzustocken, da der Ausbau des Radwegenetzes unterfinanziert ist. In Zukunft sollte der entsprechende Maßnahmenplan vor den Haushaltsplanberatungen diskutiert werden. Den Bau eines bahnparallelen Neubaus der B 27 haben wir kritisch begleitet. Aus unserer Sicht ist die Stadtverwaltung bisher eine umfassende Aufstellung der gesamten Kosten – also auch für Rück- und Umbaumaßnahmen – schuldig geblieben. Der Eingriff in die Grünflächen zwischen Weststadt und Eglosheim bedeutet für uns einen zu hohen Tribut. In verschiedenen, oft nichtöffentlichen Diskussionen wurde gefragt, warum wir eigentlich nicht auch eine „Nullvariante“ für Eglosheim fort entwickeln wollen. Es stellt sich in der Tat folgende Frage, die wir gerne diskutieren wollen: Sind Maßnahmen zum Lärmschutz und zur Umgestaltung in Eglosheim nicht weit kostengünstiger möglich und kann damit nicht auch das Ziel erreicht werden, die Belastungen aus dem Verkehr lokal deutlich zu mildern? Lärmschutzwände wären eine erste Maßnahme – aus Glas oder als Wand aus Pflanzengrün. Derartige Maßnahmen sollten wir schon allein als Einstieg in den erforderlichen Lärmminderungsplan anstreben, der nächsten Herausforderung nach der Luftreinhaltung, wo bisher wenig Fortschritte erreicht werden konnten. Wir wollen daher noch einmal über flächendeckende Geschwindigkeitsreduzierungen im Straßenverkehr nachdenken.

Der Sportentwicklungsplan wird Ludwigsburg sicherlich ein Angebot auf hohem Niveau bescheinigen. Der Bau der Multifunktionshalle ist beschlossene Sache. Die nächste Tanzweltmeisterschaft kann dann dort stattfinden. Auf diesem Weg möchte ich dem 1. TCL noch einmal zum gewonnenen Titel gratulieren. Die Finanzierung der Multifunktionshalle belastet den Haushalt über viele Jahre und den Haushaltsplan 2008 in besonderem Maße. Wenn sich die Stadt ein solch großes Projekt als freiwillige wirtschaftliche Betätigung leisten möchte, dann sollte die Wirtschaft aus unserer Sicht einen entsprechenden Beitrag leisten. Wir beantragen daher, den Hebesatz für die Gewerbesteuer zur Finanzierung der Multifunktionshalle zu erhöhen, bevor auf Rücklagen zurückgegriffen wird. Jetzt, wo sich die Finanzlage entspannt, greifen wir auf unsere Rücklagen zurück. In den nächsten vier Jahren wird der Allgemeinen Rücklage mehr als 15 Mio. € entnommen und erst wieder im Jahr 2011 sollen 300 T€ zugeführt werden. Dabei sollten die Rücklagen doch als Notnagel für schlechte Zeiten dienen, um auch dann investieren zu können, wenn die Steuereinnahmen es nicht erlauben. – Dass trotz der Ausgaben für die Multifunktionshalle keine Projekte aus dem Stadtentwicklungskonzept auf der Strecke bleiben – wie Sie, Herr Oberbürgermeister, zugesagt haben – darauf will die Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN achten. Unter ständiger Aufgabenkritik Haushaltskonsolidierung zu betreiben, ist oberstes Gebot nachhaltiger Politik. Neben dem Vorschlag, die Kosten für den Ausbau einer „Strombergstraße“ einzusparen, fragen wir unter anderem auch nach den Kosten für die Einführung eines neuen Logos für die Stadt. Beim städtischen Personal haben wir die Schmerzgrenze der Einsparmaßnahmen nahezu erreicht. Aus unserer Sicht sollte zukünftig eine besondere Begründung für Stellenreduzierungen erfolgen. Wir danken den Fachbereichen für ihre Arbeit zur Aufstellung des Haushaltsplans 2008, ganz besonders Ihrem Team,
Herr Kiedaisch.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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