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Rede zum Haushaltsplan 2010

Der Haushalt 2010 steht unter dem Motto „Die fetten Jahre sind vorbei – nun beginnen die mageren!“

Die Folgen der Finanzkrise haben nun auch den öffentlichen Haushalt erreicht und wir haben einen Steuerausfall von 25 Millionen Euro zu bewältigen. Dies ist nicht ohne Sparmaßnahmen möglich, was Einschränkungen für viele Organisationen bedeutet, Mehrbelastungen der Bürgerinnen und Bürger und eine Absage von Etlichem, was uns lieb und wert geworden ist.

Grundsätzlich unterstützen wir den Verwaltungsvorschlag zur Einsparung von ca. 8 Millionen Euro und wir schätzen die erklärte Absicht der Verwaltung, beim Bereich Bildung und Betreuung nicht maßgeblich eingreifen zu wollen. Dies wollen wir mit unseren Anträgen unterstreichen:

Keine Einsparungen bei Kindern und sozial Schwachen!

Wir wollen den Ausbau der Krippenplätze im begonnenen Zeitplan fortsetzen, damit das Ziel erreicht wird, bis 2013 für 35 % aller Kinder unter 3 Jahren ein Betreuungsangebot machen zu können. Damit einhergehen muss die weitere Qualifizierung der Mitarbeiterinnen in den Kindertageseinrichtungen. Die räumlichen und personellen Voraussetzungen müssen dem Bildungsauftrag entsprechend dem Orientierungsplan gerecht werden. Gerade im Elementarbereich ist auf qualifizierte Betreuung zu achten, da hier Grundlagen der emotionalen, kognitiven und sozialen Entwicklung geschaffen werden. Dies ist Voraussetzung für Chancengleichheit. Mit Sorge sehen wir daher die Überlegungen, auf ehrenamtliche oder semi-professionelle Betreuung zurückgreifen zu wollen. Dies hat im Ergänzungsbereich, wenn die Öffnungszeiten den Betreuungsbedarf nicht vollständig abdecken können, seine Berechtigung, kann aber nicht als vollständiges Angebot dienen. Gleiches gilt für den Bildungs- und Betreuungsbereich der 3- bis 6-jährigen. Den Kindergarten als Bildungseinrichtung würden wir gerne analog der Schule beitragsfrei sehen.

Die Umstrukturierung hin zu veränderten Öffnungszeiten von mindestens 6 Stunden führt unweigerlich zur Frage nach einem Mittagessensangebot. Dies muss unserer Ansicht nach Bestandteil der Betreuung sein. Ein akzeptabler Preis schafft für die Eltern Wahlfreiheit. Ausdrücklich begrüßen wir den unbürokratischen Umgang mit Essensausgaben zu 1,- € für Kinder, deren Eltern nicht in der Lage sind, den aktuellen Preis von 2,50 € zu bezahlen.

Kommen wir nun zum Bereich Schulen:

Mit dem Schulentwicklungsplan begegnen wir dem künftigen Rückgang der Schülerzahlen generell und besonders der nachlassenden Akzeptanz der Hauptschule. Mit großer Kraftanstrengung konzentrieren wir Grundschüler der Innenstadt an einem Standort, vereinigen am Campus nur noch Schüler der Sekundarstufe und lösen damit eine Rochade aus, die ihresgleichen sucht. Die Verzahnung führt dazu, dass Verzögerungen die Schule am meisten trifft, die zuletzt an der Reihe ist. Und nun werden die Mängel besonders deutlich, die seit vielen Jahren und nicht erst durch die Umorganisation nach hinten geschoben wurden. Marode Fenster, unzumutbare Sanitärverhältnisse in der Jungentoilette, die buchstäblich zum Himmel stinkt, und eine nicht vorhandene Schallisolierung in zu hohen Schulräumen machen im Goethegymnasium eine vorgezogene Sofortmaßnahme notwendig. Wir sind der Meinung, dass dies nicht bis 2012 aufgeschoben werden kann, und beantragen 100.000 € im Haushalt einzustellen.

In den vergangenen Jahren haben wir als Schulträger bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um den veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. Verstärkt bilden wir unsere Schulen in Ganztagesschulen um, die Kindern einen anregenden und betreuten Lernraum und den berufstätigen Eltern eine zuverlässige Betreuung bieten sollen. Allerdings werden wir bei unseren Bemühungen finanziell allein gelassen. Das Land, das verantwortlich ist für die Gestaltung der Schullandschaft, bezuschusst unsere Anstrengungen bei Sprachförderung, Schulmensen, Hausaufgabenhilfe unzureichend. Dem Bedarf nach ganztägiger, verlässlicher Betreuung bei gleichzeitiger Erweiterung der Zeiten für Bildung versuchen wir mit dem Jugendbegleiterprogramm gerecht zu werden. Sportangebote und Anregungen im musischen Bereich werden so an der Schule integriert. Aber es entsteht an vielen Stellen nur Stückwerk. Das Jugendbegleiterprogramm, das mit hohem organisatorischem und personellen Aufwand auf die Beine gestellt wird, trägt nicht zu einer befriedigenden Lösung im Bildungsbereich bei. Wir sind der festen Überzeugung, dass unsere Schulen als Ganztagesschulen aufgestellt werden müssen. Aber es kann nicht sein, dass dies kommunal finanziert werden muss. Wir hoffen darauf, dass alle Betroffenen hier ein Signal setzen für eine besser gestaltete Schulpolitik. Dann wollen wir als Schulträger alles zu funktionierenden Rahmenbedingungen, wie Ausstattung und Räumlichkeit, beitragen. Aber wir können nicht auch die personellen Ausgaben, die ein Ganztagesangebot mit sich bringt, aus eigener Kraft stemmen

Ein weiterer, für uns wichtiger Aspekt im Haushalt kann mit der Überschrift

„Klimaveränderung macht nicht Halt bei knappen Kassen!“

versehen werden:

Wir nehmen die Vorgaben zu CO2-Einsparung sehr ernst und wollen dies auch im städtischen Haushalt verankert sehen. Energetische Gebäudesanierungen und Umrüstung auf energiesparende Mittel müssen weiterhin durchgeführt werden, auch wenn der Spareffekt erst in späteren Jahren zum Tragen kommt.

Die Diskussion um Lärm- und Feinstaubbegrenzung macht es deutlich: jeder einzelne muss seinen Beitrag dazu leisten. Eine schnell wirksame Möglichkeit ist hier die Tempobeschränkung auf innerorts 40 km/h und bei Autobahnen, gerade wo sie Wohngebiete tangieren, auf 80 bis 100 km/h. Anstelle von weiteren Straßenplanungen sei es Untertunnelungen oder Umfahrungen wäre dies eine kostengünstige, schnell umzusetzende Maßnahme. Unsere Verkehrsprobleme – zu denen wir alle mit unserem Mobilitätsverhalten nun mal beitragen – sind nicht mehr mit den bisherigen Methoden zu lösen. Wir werden Abschied nehmen müssen von dem Gedanken, durch Straßenum- und -neubauten die Belastungen in Griff zu bekommen. Vielmehr müssen wir den Schwerpunkt und das Verhalten auf andere Mobilitätsträger lenken. Aus diesem Grund wollen wir auch weiterhin an der Bezuschussung zum ÖPNV festhalten und wollen die Nutzung des Fahrrads als innerörtliches Verkehrsmittel stärken. In diesem Zusammenhang unterstützen wir auch die Bewerbung der Stadt um Bundesmittel im Rahmen der Kampagne „Kopf an: Motor aus.“

Zur Frage der Energieversorgung gehört auch die Diskussion um die Neuvergabe der Stromkonzession im Jahr 2012. Wir Grünen waren immer und sind auch weiterhin der Meinung, dass die Stromnetze in die öffentliche Hand gehören und wollen unsere Stadtwerke darin unterstützen, diese Versorgung ganz zu übernehmen. Im Verbund mit anderen Stadtwerken sehen wir die Chance, unsere kommunale Eigenständigkeit zu sichern und uns aus der Abhängigkeit von Großkonzernen zu lösen. Langfristig ist die Netzübernahme eine – auch wirtschaftlich – sinnvolle Investition.

Einen großen Beitrag zur Klimaverbesserung leistet das Grün in der Stadt. Mit einer Anfinanzierung von 75.000 € zur Grünleitplanung wollen wir dies auch in Zeiten knapper Kassen vorantreiben. Dazu gehört auch, dass bestehende Biotope in ausreichendem Maß gepflegt werden und Freiflächen bewahrt bleiben. Wir begrüßen ausdrücklich das Engagement des Vereins Naturpark West.

Alle müssen ihren Beitrag leisten!

Dazu sind Bürger, Verwaltung und der Gemeinderat aufgerufen. Als direkt betroffene Gemeinderäte wollen wir uns solidarisch zeigen mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Vereinen und anderen von den Sparmaßnahmen betroffenen Organisationen. Wir stellen Anträge zur Reduzierung der Fraktionsgelder und Verzicht auf die kostenlose Nutzung der Rathaustiefgarage zu Sitzungszwecken. Wir meinen, dieses Privileg ist durch die Aufwandsentschädigung abgegolten. Allerdings wollen wir hier auch den Bürger zur Kasse bitten: Abschaffung der sogenannten Brötchentaste, die den Wirtschaftsplan der PAG mit 250.000 € belastet.

Entgegen dem Vorschlag der Stadtverwaltung wollen wir auf Einsparungen im Bereich VHS-Hörgelder, bei den Jugendhäusern, beim Kindertheater, bei Aktivspielplätzen und der Pflege der Kinderspielplätze verzichten. Wir setzen dem Kürzungen bei den Schlossfestspielen, Film- und Medienfestival, aber auch bei der Sportförderung gegenüber.

Auch die Bürger und Bürgerinnen werden ihren Beitrag leisten müssen. So stehen wir zur Erhöhung der Grundsteuer und haben der Erhöhung der Vergnügungssteuer und der Hundesteuer zugestimmt. Aber auch auf lieb Gewonnenes wird verzichtet werden müssen:

Die Blumenpracht an Straßen und Plätzen wird durch den reduzierten Etat eingeschränkt und die Obst- und Gartenbauvereine werden noch mehr aus Eigeninitiative aufbringen müssen. Ob allerdings Spielplätze mit Paten im Ehrenamt gut betreut sind, wagen wir zu bezweifeln und wollen die Kosten für die Sauberkeit und Sicherheitsprüfung auch weiterhin in voller Höhe eingestellt wissen. Bei der Pflege des öffentlichen Raums kommen wir an eine Grenze, die sehr genau abgewägt werden muss: Welche Folgen hat ein ungepflegtes Stadtbild auf die Attraktivität unserer Stadt? Hier ist mit aller Deutlichkeit anzumerken, dass jeder Einzelne mit seinem Verhalten viel zur Reduktion der Kosten beitragen könnte. Aufklärungsarbeit und ein ständiger Appell zur Mitwirkung wären vielleicht mehr angebracht als die Aufrufe zu Großputzeten einmal im Jahr.

Bei manchem Event werden wir kürzer treten müssen. Seien es traditionelle Feste, wie der Pferdemarktumzug oder Veranstaltungen wie die Venezianische Messe, die mit weniger Zuschuss ausgestattet werden. Bleibt damit die bisherige Strahlkraft über die Stadtgrenzen hinweg erhalten, so dass Touristen angezogen werden? Das ist die Frage der wir uns stellen müssen. Ist es eventuell möglich, trotz angespannter Finanzsituation Sponsoren zu finden, die die Veranstaltungen unterstützen?

Unsere Stadt hat in den letzten Jahren sehr gewonnen und das Lebensumfeld seiner Bewohner attraktiver gemacht. Im Bereich von Film und Kunst wurde der Standort - mit nicht unerheblichen Mitteln - gestärkt. Insbesondere der Bau der ARENA belastet den Haushalt auf lange Jahre sehr. Schon damals bezweifelten wir, dass „durch das Vorhaben kein anderes Projekt leiden müsse“ und sehen die Gründe für unsere Sparmaßnahmen nicht nur in der Wirtschaftskrise. Jetzt merken wir besonders, dass wir die hierfür notwendigen Aufwendungen gut für Wichtigeres brauchen könnten. Spielraum für weitere Projekte haben wir derzeit nicht. Trotzdem wollen wir die begonnenen zügig vorantreiben. Dazu gehört für uns insbesondere das Museum in der Eberhardstraße. Der zuletzt in die Kritik der Bürger und Bürgerinnen geratene Neubau Mathildenstraße bietet dem Stadtarchiv endlich eine angemessene Unterkunft. Die Standortsuche hatte sich in der Vergangenheit immer wieder verschoben, so dass wir durch Brandschutzauflagen so unter Druck geraten sind, dass eine Lösung gefunden werden musste. Einer Erhöhung der Bauausgaben um 500.000 € stehen wir kritisch gegenüber und bitten um eingehende Prüfung von Möglichkeiten zur Kosteneinsparung.

Zur Stärkung der Stadt als Wirtschaftsstandort stehen uns noch Gewerbeflächen in den Waldäckern und Hintere Halden zur Verfügung. Diese müssen vorrangig vermarktet werden. Allerdings ohne die Kleingärten anzugreifen. Da es sich um unsere letzten großen Gewerbeflächen handelt, muss im Sinne einer nachhaltigen Gewerbepolitik sehr genau überlegt werden, welches Gewerbe angesiedelt werden soll. Wir stehen und standen schon immer zu den Ansiedlungswünschen von Atege, wollen aber durch weitere Logistiker nicht den Zugriff auf die Schanzäcker freimachen. Einer Entwicklung Schanzäcker versagen wir entschieden unsere Zustimmung, steht er doch im Widerspruch zum Regionalplan. Nach unseren Vorstellungen könnten somit 2 Millionen Euro für weiteren Grundstückserwerb eingespart werden und belastet den Vermögenshaushalt weniger.

Wir stehen vor schwierigen Zeiten und wir können diese nur gemeinsam bestehen. Die Ausfälle sowohl durch Erhöhungen bei den Einnahmen als auch durch Einsparungen auszugleichen befürworten wir, ebenso, dass Rücklagen dafür aufgebraucht werden müssen. Rücklagen, auch wenn sie nicht für den Ausgleich laufender Ausgaben gedacht waren, müssen in dieser Situation herangezogen werden. Auch die immer wieder zitierte „schwäbische Hausfrau“ käme nicht auf die Idee, einen Kredit zu beantragen, solange sie etwas auf dem Sparbuch hat. Gerne hätten wir die Bürgerinnen und Bürger stärker in die Beratungen einbezogen, doch begrüßen wir die Bürgerinformation zur Haushaltssituation am morgigen Donnerstag. Hoffen wir, dass viele dieses Angebot annehmen und ihre Sicht einbringen – und, dass wir dies bei den weiteren Beratungen aufnehmen können.

Bekannt ist, dass im Chinesischen ein einzelnes Schriftzeichen für die beiden Bedeutungen „Krise“ und „Chance“. Wollen wir unsere jetzige Situation genau so sehen: Sie als Krise und als Chance verstehen und auch bestehen.

Wir danken der Stadtverwaltung und insbesondere unserem Kämmerer, Herrn Kiedaisch, für die Unterstützung im Vorfeld der Haushaltsplanberatungen. Er hat uns immer zeitnah unsere Fragen beantwortet.

 

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