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Haushaltsrede 2023, Bündnis90/Die Grünen, Florian Sorg

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Knecht,
sehr geehrte Frau Erste Bürgermeisterin Schmetz,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Schwarz,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Mannl,
meine Damen und Herren!

 

Der brutale Angriffskrieg Putins auf die Ukraine hat unsere Abhängigkeit von billiger Energie schonungslos vor Augen geführt. Gerade halbwegs aus der Coronakrise rausgekommen, schlitterten wir bereits in die nächste Krise, die Krise der fossilen Energie.

Jetzt müssen wir quasi über Nacht neue Energiequellen erschließen. Dabei dürfen wir uns nicht wieder in weitere Abhängigkeit fossiler Energien geben. Auch der Großteil an Uran stammt aus Russland.  Wir brauchen dringender denn je die „Freiheitsenergien“ Sonne, Wind, Wasser und Geothermie.

Die Überwindung der Energiekrise ist praktizierter Klimaschutz. 

 

Klimaschutz ist der Ermöglicher für unsere Zukunft. Wir werden die Möglichkeit haben, unseren eigenen Strom und unsere eigene Wärme zu produzieren. Wir können in den Straßen aufatmen und kommen entspannter ans Ziel. 

Wir werden unter Stadtbäumen Schatten finden und durch Wasserspiele Abkühlung. Am Straßenrand kann man die Vögel wieder zwitschern hören. Im Winter spüren wir die wohlige Wärme aus sauberer Fernwärme und Solarthermie. 

Was wie ein ferner Traum klingt, wird in Anfängen bereits in Ludwigsburg Wirklichkeit. Der Karlsgarten vor der Friedenskirche und die Pop-up-Maßnahmen am Arsenalplatz und in der Wilhelmstraße werden von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt gemacht und angenommen. Auch Deutschlands ehemals größte Solarthermieanlage wurde hier vor Ort am Römerhügel verwirklicht.

Vielleicht gibt es für den einen oder die andere dennoch gefühlte Einschränkungen. Die Einschränkungen, die durch eine fortschreitende Klimaerhitzung auf uns zukommen, sind da jedoch weitaus erschreckender. Um die Freiheitsgrade für die kommenden Generationen zu erhalten, brauchen wir jetzt mehr Tempo in der Transformation.

 

Klimaschutz ist dabei der Konjunkturmotor, auch in einer möglichen Rezession. Wir müssen Klimaschutz endlich auch wirtschaftlich betrachten. In der Industrie werden viele Arbeitsplätze geschaffen für Expertinnen der Klimaneutralität und für Handwerker des solaren Umbaus. Davon wollen wir in Ludwigsburg auch profitieren. Jeder Euro, den wir heute für den Klimaschutz ausgeben, ist günstiger als die vielen Euros, die wir in Zukunft zwangsläufig ausgeben müssen. 

Dass sich Klimaschutz in Städten bezahlt macht, zeigt die Studie NetZero Stuttgart von der Unternehmensberatung McKinsey. Wir kommen in Ludwigsburg sicherlich auf dasselbe Ergebnis – dass sich Klimaschutz lohnt – auch ohne eine renommierte Unternehmensberatung bemühen zu müssen. 

 

Gemeinsam ein Ziel - das 1,5 Grad-Ziel von Paris - zu erreichen, stärkt den Zusammenhalt der Gesellschaft, der Ihnen Herr Knecht, wie mir, sehr wichtig ist.

Wir haben gemeinsam eine Stadtbahn auf den Weg gebracht. Heute wollen wir ein klimafreundliches BZW auf den Weg bringen. Wir sind vom European Energy Award erneut ausgezeichnet worden und hier und da gibts auch einen Radweg. 

Wir sind auf dem richtigen Weg  -  jedoch zu langsam.

Wir GRÜNE fordern mehr Turbo in der Transformation.

 

Und wer, wenn nicht wir, im Herzen Baden-Württembergs, hätte die Kraft und Ausdauer diesen Dauerlauf zu meistern?

Wir sind eine der reichsten Regionen in einem der reichsten Länder der Welt. Ludwigsburg nimmt im Landkreis mittlerweile vor Ditzingen und nach Gerlingen am meisten Steuern ein. Und wir wollen uns Klimaschutz nicht leisten können? Das muss doch wie Hohn in den Ohren klingen für die Pakistani, deren Land zu einem Drittel vor Kurzen überflutet wurde, wie auch für die Menschen im Ahrtal. Und auch hier in Ludwigsburg jagt ein Wetterrekord den nächsten: heißeste Sommer, niedrigste Wasserstände, wärmster Oktober, heftigste Starkregen – auch darunter leider wir hier. Wir müssen und können auch hier in Ludwigsburg mehr dagegen tun.

Mit unseren GRÜNEN Haushaltsanträgen erreichen wir mehr Turbo in der Transformation und mehr sozialen Ausgleich.

Auf drei Punkte gehe ich nun ein:

  1. Turbo für den Klimaschutz

Mit unserem Antrag auf Ausweitung der Quartierskonzepte geben wir den Menschen in den Stadtteilen wieder was zurück. Wir holen sie dort ab, wo sie sind - in ihrem Viertel. So unterstützen wir die Menschen in der Energiewende. Und das kommt auch der lokalen Wirtschaft zu Gute.

Wir wollen zudem die Stadtwerke stärken, die uns sicher auch in der Krise mit Energie versorgen. Damit sie das auch morgen noch können, wollen wir die SWLB mit einem größeren Finanzierungsspielraum ausstatten. Wir GRÜNE wollen aber auch sehen, dass sich die SWLB an die Spitze der Energiewende stellt. Wir wollen sehen, dass sie sich noch sehr viel stärker für regenerative Energien einsetzt in Bezug auf Fernwärme, Solarnutzung, Neckarwärmepumpe und einer Strategie zur Dekarbonisierung des Gasnetzs. Dazu sollen auch die Ergebnisse der Wärmeplanung gleich in 2023 in die Umsetzung gebracht werden. 

 

  1. Soziale Teilhabe

Die meisten Menschen spüren die steigenden Energiepreise, die auch andere Kosten nach oben reißen. Die Haushalte mit geringeren Einkommen dürfen wir nicht aus dem sozialen Leben ausschließen. Daher soll die LudwigsCard mehr ermöglichen.

Auch das äußerst erfolgreiche Förderprogramm KlimaBonus soll ausgebaut werden. Dabei sollen noch mehr als bisher einkommensschwächere Haushalte durch z. B. Balkonsolaranlagen und Energieberatung profitieren.

 

  1. Einnahmen aus nachhaltiger Parkraumbewirtschaftung

Wir zeigen auch auf, dass sich im Bereich der Mobilität Lenkungswirkung und Einnahmen gut verbinden lassen. Unsere Ludwigsburger Straßen werden unter den Massen von übermotorisierten „Stadtgeländewagen“ zermalmt – Stadt – Geländewagen – man beachte den Widerspruch in sich. Für diese schleichende Zerstörung, der aus Steuergeldern finanzierten Infrastruktur, soll zukünftig gezahlt werden. 

Ottonormalbürgerin leistet sich ein solches Fahrzeug auch nicht, drum soll das Parken von über 1,8 Tonnen teurer werden.

Und bevor jetzt die CDU und andere schnappatmend sich wieder als Retter ihres Heiligs Blechle aufschwingen, denen sei gesagt: Wir wollen es andrerseits auch wieder günstiger machen für die Autofahrerinnen und Autofahrer. Durch die Kombination einer moderaten Erhöhung des Bewohnerparkens, einer Ausweitung der Bewirtschaftungszeiten und einer sozial und ökologisch gerechten Gebühr für übermotorisierte KfZ, wollen wir das Besucherparken wieder ermöglichen. 

Das uns auferlegte Korsett von festgenagelten Steuersätzen gibt uns auch kaum die Möglichkeit Einnahmen anderswo als beim Parken zu generieren.

Wir GRÜNE steigen aus dem Eckdaten-Korsett, das uns wichtige Einnahmen für drei Jahre abgeklemmt hat, daher aus. Für den sozialen Ausgleich und für notwendige Zukunftsinvestitionen brauchen wir höhere Steuerreinnahmen und Gebühren. So kommt die Stadt auf dem richtigen Weg schneller voran. Dazu müssen wir alle Einnahmemöglichkeiten prüfen, auch eine Grundsteuer C. Es geht auch darum die Stadt wieder handlungsfähiger zu machen und sich nicht von einem Bauprojekt ausbremsen zu lassen.

 

Manches Unternehmen ist gut oder sehr gut durch die Krisen gekommen, hat vielleicht sogar daran profitiert. Hier wollen wir, mit dem Auge für den sozialen Ausgleich, für Mehreinnahmen ab nächstem Jahr sorgen. Die Menschen werden es sonst nicht verstehen, wieso die einen Krisengewinne einfahren und andere sich das Konzertticket nicht mehr leisten können.

 

Meine Damen und Herren, die Oktoberschätzung hat gezeigt, dass wir mit höheren Steuereinnahmen rechnen können, vor allem in den Jahren 2024 bis 2026 liegen sie höher. Zwar gehen die Steuereinnahmen wohl nächstes Jahr leicht runter, doch liegen sie immer noch höher als im Mai des Jahres geschätzt wurde.  

Wie stehen finanziell gut da. Im Bereich Kultur, Sport und Soziales können wir aufatmen. Hier müssen die Vereine und Institutionen nicht mehr mit coronabeeinflussten Kürzungen rechnen.

Dennoch ist es richtig ein Jahr des Risikomanagements auszurufen und dabei müssen wir vor allem die Baukostensteigerungen im Blick behalten. Worin liegt die Ursache für die steigenden Kosten? In teurer Energie.

Die fossilen Energien haben beim russischen Gas ihre wahren, bisher versteckt gehaltenen Kosten offenbart. Wieder ein Grund in günstige erneuerbare Energien zu wechseln.

Ihr Haushalt Herr Oberbürgermeister sieht 1 Million Euro vor, die Sie in den Photovoltaik-Ausbau auf städtischen Dachflächen investieren wollen. Das liegt auf der Hand, da sich das in wenigen Jahren ausbezahlt und den Ergebnishaushalt entlastet. 

In die richtige Richtung weist auch eine weitere Million, die Sie in die strategische Gebäudesanierung stecken wollen. Wir GRÜNE fordern schon lange, dass der Bestand klimatisch ertüchtigt wird. Da wird im Moment zum Fenster rausgeheizt. Diese Energieverschwendung muss aufhören und die Gebäude erhalten werden, bevor sie komplett den Bach runter gehen. 

Diese beiden Millionen führen Sie in einer extra Zusammenstellung zum Haushaltsentwurf 2023 als klimarelevante Ausgaben auf. Bei der Berechnung sind Sie da sehr großzügig.

Zum Beispiel sind für Sie auch Sonnenschirme in den Kitas klimarelevant. Summa summarum kommen Sie damit für das Jahr 2023 auf 8.567.816 Euro und 13,32 Stellen. 

An dieser Stelle vielen Dank an alle, die dieses Zahlenwerk und den ganzen Haushaltsentwurf und Stellenplan erarbeitet haben. Danke an Herrn Kistler, Herrn Nitzsche und Herrn Weeber mit ihren Teams.

 

Herr Knecht, Sie schätzen in der Zeitung, dass Ludwigsburg 1 Milliarde Euro - vermutlich mehr - bräuchte um nettotreibhausgasneutral zu werden. Nehmen wir einen Zielhorizont bis 2035 an, heißt das, dass wir jährlich 80 Millionen in den Klimaschutz investieren müssen. Sie wollen jedoch nur 8,6 Millionen in 2023 einsetzen, also gerade mal ein 1/10. Das steht im krassen Missverhältnis zu den 80 Millionen, die wir mindestens brauchen.

Es reicht also mit diesem Haushalt nicht um auf dem Paris-Pfad des 1,5 Grad Ziels mit großen Schritten voranzukommen. Und dann wollen Sie von uns GRÜNEN, dass wir dem Haushaltsplan zustimmen? –

Es liegt auf der Hand, dass wir Kommunen die aufgerufenen Milliarden nicht aus dem Ärmel schütteln. Das ist klar. Aber Bund und Land wollen sehen, dass wir uns auf dem richtigen Weg bewegen und das mit mehr Tempo, als bisher. Die Förderkulisse des Landes fordert schon jetzt eine schnellere Zielerreichung, bevor es eine Förderung gibt. 

„In die Verschuldung zu gehen ist keine Dauerlösung“, sagen Sie Herr Knecht. Stimmt, Herr Oberbürgermeister, aber vorübergehend ist es das Richtige. Es kommt jetzt auf die nächsten Jahre an, mutigen und schnellen Schrittes den eingeschlagenen Weg zu gehen. Dazu muss man auch mal Schulden machen, die sich jedoch vielfach ausbezahlen werden. Und wir liegen in Baden-Württemberg mit 970 Euro Schuldenlast pro Einwohnerin und Einwohner immer noch sehr gut da. Der Durchschnitt in Baden-Württemberg liegt laut statistischem Landesamt doppelt so hoch (1920 Euro).

Die jungen Menschen sagen uns aber auch zu Recht. Mit hohen Schulden kommen sie besser zurecht, als wenn wir Ihnen eine kaputte Erde hinterlassen.  

Ich will Ihnen auch die Angst vor dem Regierungspräsidium nehmen, welches unseren Haushalt genehmigen muss. Stärker sollten wir das Bundesverfassungsgericht fürchten, lieber Herr Prof. Dr. iur. Ich zitiere: „Die verfassungsrechtlich notwendige Reduktion von Treibhausgasen darf nicht länger in die Zukunft und damit einseitig zu Lasten junger Generationen hinausgezögert werden.“

Erst wenn wir das anerkennen, können wir von einem generationengerechten Haushalt sprechen, der den Namen wirklich verdient.

Vielen Dank

 

  • Es gilt das gesprochene Wort -
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